Minister verlangt bei Streit um NS-Raubkunst Transparenz
Rund 1.000 Kunstwerke könnten sich in bayerischem Staatsbesitz befinden, obwohl diese als NS-Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden müssten. Jetzt soll es mehr Tempo geben.
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München (dpa) - Im Streit um mögliche NS-Raubkunst bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verlangt Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) nun die Veröffentlichung von möglichen Kunstwerken. Bei der «vertieften Auseinandersetzung» mit der Praxis der sogenannten Provenienzforschung bei den Staatsgemäldesammlungen seien «noch Fragen offengeblieben» beziehungsweise sei «Raum für Missverständnisse und Fehlinterpretationen entstanden», sagte Blume.
Die Nachfahren von jüdischen Kunstbesitzern, denen die Nationalsozialisten wohl Werke geraubt hatten, und deren Rechtsanwälte hatten zuvor die bayerische Staatsregierung scharf kritisiert. Sie hatten mehr Transparenz, Aufklärung und Tempo bei der Provenienzforschung verlangt.
Anwalt: «Schuldeingeständnis» und «Ablenkungsmanöver»
Rechtsanwalt Markus Stötzel, der unter anderem die Nachfahren von Kunsthändler Alfred Flechtheim vertritt, bezeichnete Blumes Äußerungen als «Schuldeingeständnis zu den Versäumnissen der bayerischen Politik über Jahrzehnte». Was der Minister ankündige, seien Selbstverständlichkeiten, die schon seit 1998 hätten umgesetzt werden müssen.
Stötzel sprach von einem «durchsichtigen Ablenkungsmanöver» des CSU-Politikers. «Sein Ministerium war die treibende Kraft in der Unterdrückung von Informationen und der Verschleppung von Verfahren», sagte der Nachfahren-Anwalt. «Ohne eine unabhängige Untersuchung der Missstände in Bayern wird das Problem nicht zu lösen sein.»
«Die Stellungnahme von Staatsminister Blume macht deutlich, dass er mit dem Rücken an der Wand steht», kritisierte auch die kulturpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Sanne Kurz. Blume habe die Fälle viel zu lange ausgesessen und sei damit durchgekommen. «Die Verantwortung für das Versagen des Freistaats bei der Rückgabe von NS-Raubkunst trägt das Ministerium und damit der Minister», sagte Kurz.
Interne Liste über rund 1.000 Kunstwerke
Bei der Provenienzforschung geht es darum, die Geschichte von Kulturgütern zu dokumentieren, insbesondere auch, um Raub- und Beutekunst an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Diese Rückgabe wird als Restitution bezeichnet. An diesem Mittwoch ist das Thema auch im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst des Landtags in München. Die «Süddeutsche Zeitung» hatte berichtet, dass es eine interne, nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Liste gebe, die 200 Werke der Staatsgemäldesammlungen als rot markiert kennzeichnet (Raubkunst) und zudem 800 als orange (Raubkunstverdacht).
Die Staatsgemäldesammlungen betreiben einige der bekanntesten Kunstmuseen Deutschlands, unter anderem die Münchner Pinakotheken. «Wir gehen nach unserem derzeitigen Kenntnisstand davon aus, dass die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nach bestem Wissen und Gewissen Provenienzforschung betreiben und Restitutionsfälle behandelt haben», sagte Blume.
Auch Minister sieht die Notwendigkeit von mehr Transparenz
Der Minister betonte aber auch: «Es braucht mehr Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Einheitlichkeit.» Er forderte die Staatsgemäldesammlungen daher auf, bei der Klassifizierung der Kunstwerke künftig die Standards des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste anzuwenden. Alle nach diesen Vorgaben als «rot» oder «orange» zu markierenden Fälle müssten auf der Datenbank Lost Art, wo Menschen nach geraubtem Kulturgut suchen können, veröffentlicht werden.
Bei allen als höchstwahrscheinlich Raubkunst eingestuften Werken soll es schnellstmöglich eine Tiefenrecherche geben. Zudem sollen auch weitere Ergebnisse der Provenienzforschung veröffentlicht werden. Für die systematische Einschätzung aller bisher nicht geprüften Kunstwerke soll bis Ende 2026 ein verbindlicher Zeitplan stehen. Blume kündigte zusätzliche Finanzmittel und Stellen für die Arbeit an. Dafür stünde eine Million Euro zur Verfügung.