Weidepflicht könnte viele Bio-Bauern ausbremsen
Öko nur mit Weidehaltung: Die EU hat klargestellt, dass auf Bio-Bauernhöfen Rinder, Schafe und Ziegen eine Weide brauchen. Kann das in Bayern funktionieren - oder droht vielen Öko-Bauern das Aus?
München (dpa/lby) - Auf Bio-Höfen brauchen Rinder, Schafe und Ziegen künftig zwingend eine Weide - so will es die EU. Aber: Längst kann nicht jeder Bio-Bauer im Freistaat genug Weideland vorweisen - und muss möglicherweise aufhören, ökologisch zu produzieren.
«Einige Betriebe konnten bereits Lösungen finden», sagte Heidi Kelbetz, Sprecherin der bayerischen Landesvereinigung für den ökologischen Landbau (LVÖ). Es gebe aber auch Betriebe, die die Vorgabe bislang nicht umsetzen konnten - die etwa mitten im Dorf liegen und keine Flächen direkt am Hof hätten oder die Tiere über vielbefahrene Straßen zur Weide treiben müssten.
Landwirte bereiten Bio-Ausstieg vor
Ob sie es noch schaffen, die Weidepflicht zu erfüllen? Der Bayerische Bauernverband (BBV) zeichnet ein düsteres Bild: «Zahlreiche Biolandwirtinnen und -landwirte mit Pflanzenfressern bereiten ihren Ausstieg aus dem Ökolandbau vor», teilte der Verband jüngst mit.
«Die EU-Kommission darf nicht zulassen, dass der bayerische Ökolandbau erodiert und Wertschöpfung verloren geht und muss schnellstmöglich Lösungen eröffnen», sagte BBV-Präsident Günther Felßner. Tiere auf der Weide - das sei eine «wunderbar tiergerechte Haltungsform», aber eben leider nicht überall umsetzbar.
Manfred Gilch, Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), erwartet, dass für mindestens ein Viertel der Biomilcherzeuger in Süddeutschland diese Weideverpflichtung das Aus ihrer Biomilcherzeugung bedeute.
Betriebe, die jahrzehntelang ihre Flächen ökologisch bewirtschaftet, aber eben das Pech einer ungünstigen Hoflage und Flächenverteilung hätten, würden nicht nur ihren Bio-Aufschlag auf den Milchpreis verlieren, sondern auch ihre Öko-Flächenprämien. «Mit solchen starren Regelungen erweist man Natur, Mensch und Tier wirklich einen Bärendienst», sagte Gilch.
Kann auch überzeugte und vorbildliche Öko-Betriebe treffen
Die Vorgabe sieht vor, dass in der Weidezeit gemäß der EU-Ökoverordnung allen Pflanzenfressern wie Rindern und Schafen ein Zugang zu Weideflächen ermöglicht werden muss. Betroffene Betriebe, die das bislang nicht gewährleisten konnten, müssen in diesem Jahr ein Weidekonzept erstellen und mit der Umsetzung beginnen.
Die vollständige Umsetzung müsse dann 2026 erfolgen. «Betriebe, die auf absehbare Zeit die Weidepflicht nicht vollumfänglich umsetzen können, werden nicht Öko bleiben können. Jeder Betrieb, der aufgrund der verschärften Auslegung ausscheiden muss, ist für uns ein herber Verlust», sagte Kelbetz.
Wie viele Betriebe das am Ende sein werden, könne momentan noch niemand sagen. «Leider kann das auch auf Betriebe zutreffen, die seit vielen Jahren vollkommen überzeugt und vorbildlich ökologisch wirtschaften. Oder auf Betriebe, die vor nicht allzu langer Zeit größere Investitionen im Stallbau getätigt haben, diese trifft es dann besonders hart.»
Entscheidung muss schnell getroffen werden
Dabei wird in Sachen Bio-Landbau eigentlich ein anderes politisches Ziel verfolgt - nämlich die Steigerung der Öko-Quote in der Landwirtschaft. «Eine ökologische Rinder-, Schaf-, Ziegen- oder Pferdehaltung wird zukünftig ohne Weidezugang nicht mehr möglich sein», hatte Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) Anfang Januar mitgeteilt. «Das wird aber leider auch dazu führen, dass entgegen unserem politischen Ziel nach Ausweitung des Ökolandbaus nun einige Betriebe trotz großer Anstrengungen die ökologische Produktion werden einstellen müssen.»
Für etliche Landwirte eilt die Entscheidung, ob Bio oder nicht. Denn aktuell läuft das Antragsverfahren für das Kulturlandschaftsprogramm (Kulap). Viele Betriebe stehen nach LVÖ-Angaben vor der Frage, für welche Kulap-Maßnahme sie sich für die kommenden fünf Jahre verpflichten: Für Betriebe mit dem «Öko-Kulap» erhöhe sich der Druck, ob sie die Umsetzung der Weidepflicht in absehbarer Zeit schaffen. Mit dem Programm unterstützt die öffentliche Hand Landwirte für ihre Pflege der Kulturlandschaft.