Martyrium statt Liebesglück - Prozess in München beginnt
Eine junge Frau träumte vom Leben zu zweit, im sonnigen Ägypten. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen erlebte sie ein Martyrium, um das es nun in einem Prozess in München geht.
München (dpa) - Weg aus Deutschland, ins sonnige Ägypten - diesen Wunsch wollte sich eine junge Frau vor acht Jahren erfüllen. Mit ihrem Traummann aus dem Internet wollte sie Anfang 2017 in der Küstenstadt Hurghada am Roten Meer ein neues Leben aufbauen. Doch der Traum zerplatzte - und anstelle im Liebesglück zu schwelgen, ging sie durch die Hölle. Zwei Monate lang soll der Mann die heute 33-Jährige in einer Wohnung eingesperrt, brutal misshandelt und mehrfach vergewaltigt haben, heißt es in der Anklage. Darin werden ihm schwere Freiheitsberaubung, vorsätzliche und gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Vergewaltigung angelastet. Am ersten Prozesstag am Landgericht München I räumte der 37-Jährige die Vorwürfe ein und verwies auf seine Drogen- und Medikamentenabhängigkeit.
Wut, Schläge und Vergewaltigung
An Silvester 2016 war die Frau der Anklage zufolge nach Ägypten gereist. Etwa in der zweiten Januarwoche 2017 soll es dann mit den Übergriffen losgegangen sein. Der Mann habe ihr das Handy und den Reisepass abgenommen und die Wohnung von außen abgeschlossen, wenn er ausging.
Kleine Anlässe reichten nach Angaben der Staatsanwaltschaft offenkundig aus, um den in Ägypten geborenen Deutschen in Rage zu bringen. Mal servierte die Frau den Kaffee nicht richtig. Ein anderes Mal ärgerte er sich über Fragen, die sie seiner in Ägypten wohnenden Schwester bei einem Besuch gestellt hatte. Oder sie sei mit T-Shirt und Jogginghose bekleidet an einem offenen Fenster der Wohnung vorbeigegangen.
Detailliert listen die Ermittler auf, was die Frau ihren Erkenntnissen nach neben mehreren Vergewaltigungen erleiden musste, darunter Schläge und Tritte ins Gesicht, den Bauch und den ganzen Körper. Einmal habe der Mann ihren Kopf an den Haaren so gegen die Wand geschlagen, dass sie bewusstlos wurde. Ein anderes Mal habe er ihre Nase deformiert. Zweimal ging die Geschädigte davon aus, dass sie Rippenbrüche erlitten hatte.
Todesangst und Panikattacken
In einem Gespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit schilderte die Anwältin des Opfers die Erlebnisse ihrer Mandantin. Sie sei in einem fremden Land eingesperrt gewesen und verprügelt worden - und habe Todesangst gehabt. Sie sei die Sklavin des Mannes gewesen, der ihre komplett hilflose Lage ausgenutzt habe. Nach ihrer Befreiung habe sie über Monate hinweg nicht aus dem Haus gehen können und leide immer noch unter Panikattacken.
Vor Gericht wurde die Beziehung als konfliktträchtig beschrieben, mit Eifersucht, vielen Streitereien, Misstrauen und dann wieder Liebesbekundungen. Die Verteidigerin erklärte, ihrem Mandanten hätten seine Gewaltausbrüche immer leidgetan. Er habe die Frau geliebt und sich jedes Mal entschuldigt, auch mit Blumen oder Geschenken. Allerdings sei seine Erinnerung wegen seines Drogen- und Medikamentenkonsums verschwommen.
Aufputschender Substanzen-Cocktail
Wie der Angeklagte erklärte, war er 2011 nach Ägypten ausgereist. Als die Frau zu ihm zog, nahm er Schmerzmittel und kombinierte sie etwa mit Haschisch oder Crystal Meth. Er habe einfach alles zusammengemischt. «Dann ging die Wirkung erst richtig los», sagte der 37-Jährige. Die Mittel hätten ihn stark aufgeputscht und ihn tagelang wachgehalten. «Ich habe teilweise zwei, drei Tage durchgemacht, dann habe ich geschlafen.» Zudem machten ihn die Substanzen nach Angaben seiner Verteidigerin sehr aggressiv.
Am 17. März 2017 wurde die Frau laut Anklage von der ägyptischen Polizei und mit Hilfe des Bundeskriminalamtes (BKA) befreit. Wie die Behörden auf ihre Lage aufmerksam wurden, dazu gab es am ersten Prozesstag keine Angaben. Am Donnerstag soll die Verhandlung fortgesetzt werden. Die 33-jährige Geschädigte soll als Zeugin aussagen, allerdings wohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Insgesamt hat das Landgericht München I fünf Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte demnach am 17. Dezember gesprochen werden.