Entsetzen nach mutmaßlichem Rennen - Zwei Frauen sterben
In Ludwigsburg liefern sich zwei Fahrzeuge wohl ein Rennen in Richtung Autobahn, das in einer Katastrophe endet: Zwei unbeteiligte junge Frauen sterben. Einer der Fahrer ist noch immer flüchtig.


Ludwigsburg (dpa) - Über der Unfallstelle, an der zwei junge Frauen ihr Leben verloren haben, liegt noch der beißende Geruch von Benzin. Ansonsten erinnert am Morgen danach nur noch wenig daran, was hier an einer Straße in einem Industriegebiet in Ludwigsburg in der Nähe von Stuttgart am Donnerstagabend passiert ist.
Nach ersten Erkenntnissen der Polizei biegt das Auto, in dem die zwei jungen Frauen sitzen, gegen 20.00 Uhr von einer Tankstelle auf die Straße ein und gerät dort in ein mutmaßliches illegales Autorennen. Zwei Autos fahren laut Polizei mit womöglich viel zu hoher Geschwindigkeit von der Innenstadt in Richtung Autobahnanschlussstelle Ludwigsburg-Süd. Ein Fahrer prallt mit seinem schwarzen Oberklasse-Mercedes in das Fahrzeug der beiden jungen Frauen.
Durch die Kollision wird ihr Auto laut Polizei von der Fahrbahn geschleudert und zwischen zwei Bäumen eingeklemmt. Auf Bildern von der Unfallstelle ist ein auf der Seite liegendes Auto zu sehen. Der Wagen ist vor allem auf der Fahrerseite komplett zerstört, das Dach haben offenbar Rettungskräfte abgetrennt. Die 23 Jahre alte Fahrerin und ihre 22-jährige Beifahrerin werden in dem Wrack eingeklemmt und müssen von Einsatzkräften befreit werden. Sie sind so schwer verletzt, dass sie beide noch an der Unfallstelle sterben.
Ein Fahrer wird festgenommen, der andere flieht
Der Fahrer des Unfallwagens, ein 32-jähriger Türke, wird leicht verletzt und kommt zur Überwachung in ein Krankenhaus. Er wird auf Anordnung der Staatsanwaltschaft vorläufig festgenommen, seinen Führerschein beschlagnahmen die Beamten. Ein Haftrichter beim Amtsgericht Stuttgart erlässt später Haftbefehl gegen ihn, ihm wird die Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge in zwei Fällen vorgeworfen. Der 32-Jährige kommt in Untersuchungshaft.
Der Fahrer oder die Fahrerin des zweiten Autos ist auch am Tag danach noch immer unbekannt und auf der Flucht. Das Auto, einen schwarzen Mercedes, entdecken die Ermittler in der Nähe des Unfallortes. «Insassen waren nicht vor Ort», heißt es in einer Mitteilung.
An der Unfallstelle legen Menschen am Tag nach der Katastrophe Blumen und Karten ab, auch eine Kerze ist zu sehen. Angehörige sind ebenfalls vor Ort, sie weinen. Ludwigsburgs Oberbürgermeister Matthias Knecht (parteilos) legt am Unfallort ebenfalls Blumen nieder und zeigt sich fassungslos. «Diese Tat ist furchtbar. Wir sind alle bestürzt. Wie können Menschen so gewissenlos sein?», wird er in einer Mitteilung der Stadt zitiert. «Wir sind tief erschüttert und wütend über diese fürchterliche Straftat, die den sinnlosen Tod zweier unbeteiligter Menschen verursacht hat.»
Beim Polizeipräsidium Ludwigsburg nahm eine Ermittlungsgruppe mit 15 Mitarbeitenden von Verkehrs- und Kriminalpolizei die Arbeit auf. Die Beamten stoppten an der Unfallstelle außerdem einen Passanten, der mit seinem Handy Aufnahmen der beteiligten Fahrzeuge sowie der Verletzten machte.
Auch wenn illegale Autorennen seit 2017 als Straftat gelten, kommen sie immer wieder vor. Nach Angaben des Innenministeriums registrierte die Polizei im Südwesten etwa 2023 mehr als ein Rennen pro Tag - insgesamt 392. Fast die Hälfte der Fälle passierte demnach zwischen Freitagabend und Sonntagabend. Im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres wurden 207 Rennen zur Anzeige gebracht - darunter können neben klassischen Autorennen mit mehreren Beteiligten auch sogenannte «Alleinrennen» und Fluchtfahrten vor der Polizei fallen, so ein Sprecher des Innenministeriums.
Rennen kommen immer wieder vor
Die Zahl der Unfälle, bei denen illegale Rennen als Ursache vermutet werden, liegt bundesweit noch weitaus höher. Eine Umfrage des Magazins «Spiegel» in den Bundesländern kam für das Jahr 2023 auf 6.187 Verdachtsfälle. Allein in Nordrhein-Westfalen starben im vergangenen Jahr nach Angaben der Polizei 15 Menschen im Zusammenhang mit dem verbotenen Kräftemessen auf den Straßen. Als ein Hotspot für illegale Rennen zählt auch Berlin.
Bei Rennen und Raserfahrten kommen immer wieder Unbeteiligte zu Schaden. Besonders bekannt ist ein Fall aus dem Jahr 2016, wo sich auf dem Ku'Damm in Berlin zwei Männer ein Rennen geliefert hatten, bei dem ein unbeteiligter Senior starb. Ein Fahrer wurde danach wegen Mordes und der zweite Raser wegen versuchten Mordes verurteilt.
Auch im Südwesten gab es schon entsprechende Prozesse. Im vergangenen April wurde etwa ein damals 20 Jahre alter Mann vom Landgericht Heilbronn wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Er soll mitten in der Heilbronner Innenstadt einen tödlichen Unfall verursacht haben, bei dem ein 42 Jahre alter Vater ums Leben kam.
Diese Strafen drohen bei illegalen Autorennen
2019 musste sich ein damals 21-Jähriger in Stuttgart wegen Mordes vor dem Landgericht verantworten. Er hatte bei hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über einen gemieteten Sportwagen verloren und war mit seinem Auto mit einem Kleinwagen kollidiert, in dessen Trümmern zwei Menschen starben. Verurteilt wurde er am Ende zu fünf Jahren Jugendstrafe wegen Totschlags.
Aber auch für die Teilnahme an Rennen drohen empfindliche Strafen. Seit Oktober 2017 gelten illegale Autorennen als Straftat. Seitdem kann schon die Teilnahme oder die Organisation eines Rennens mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Werden auch Menschen gefährdet, reicht der Strafrahmen sogar bis zu fünf Jahren Haft. Kommt ein Mensch dabei ums Leben oder wird schwer verletzt, sieht das Gesetz eine Strafe von bis zu zehn Jahren Haft vor. Strafbar ist auch ein «Rennen gegen sich selbst».