Zum Hauptinhalt springen

Teilen:

Welche Projekte Scholz bis Jahresende noch durchbringen will

Die FDP geht raus aus der Regierung. Der Kanzler und die Minister von SPD und Grünen bleiben. Das macht es schwierig, wichtige Pläne noch umzusetzen.

ANTENNE BAYERN ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
Ampelkoalition in der Krise Michael Kappeler/dpa

Berlin (dpa) - Die Ampel ist Geschichte - aber Kanzler Olaf Scholz will wichtige Projekte trotzdem noch durchs Parlament bringen. Er wolle in den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die aus seiner Sicht «keinerlei Aufschub» duldeten, sagte der SPD-Politiker nach dem Bruch der Koalition. 

Der Kanzler nannte konkrete Vorhaben - er hat allerdings ohne die FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag. Am 20. Dezember soll das Parlament planmäßig zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommen. Im März könnte es dann Neuwahlen geben. Vorher will Scholz diese Themen entschieden sehen:

Steuerliche Entlastungen

Scholz will, dass der Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer ausgeglichen wird - ein Projekt, das eigentlich der nun Ex-Finanzminister Christian Lindner maßgeblich vorangetrieben hat. «Damit alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 1. Januar mehr Netto vom Brutto haben», begründete der Kanzler, dass er an den Plänen zum Ausgleich der Kalten Progression festhält. 

Kalte Progression nennt man, wenn Bürger durch den ansteigenden Steuertarif auch dann mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht. Lindner wollte dafür den Grundfreibetrag und die anderen Eckwerte des Steuertarifs so verschieben, dass höhere Steuersätze erst später greifen. Nur die Grenze für die Reichensteuer, die noch über dem Spitzensteuersatz liegt, sollte gleich bleiben - damit die Allerreichsten weniger stark entlastet werden. Der FDP-Chef hatte den Grünen vorgeworfen, die Pläne zu blockieren.

Rentenpaket

Das dürfte der für die SPD wohl wichtigste Punkt sein: Die Stabilisierung der gesetzlichen Rente. Der Bundestag hat sich Ende September in erster Lesung mit dem seit langem vorbereiteten Rentenpaket befasst. Im Kern soll ein stabiles Rentenniveau garantiert werden, die Rentenbezüge sollen Schritt halten mit der Lohnentwicklung. Wegen der alternden Bevölkerung wird dies aber immer teurer - was dann zu höheren Beiträgen für jüngere Leute führt. Die Koalition will diese prognostizierte Beitragserhöhung dadurch abfedern, dass sie Geld am Aktienmarkt anlegt und die Rendite in die steckt. 

Insbesondere der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, pochte allerdings auf Änderungen, da das Paket aus seiner Sicht die Jüngeren über Gebühr belastet. Denn der Aktienplan kann voraussichtlich nicht die gesamten Mehrkosten auffangen. Allerdings ist das Rentenpaket auch in der Union umstritten. Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte es Ende September eine verpasste Chance für mehr Generationengerechtigkeit. Es sei ein Neustart in der Rentenpolitik notwendig. 

Asylpolitik

Als weiteres Vorhaben nannte der Kanzler die schnelle Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Diese will Deutschland schnell umsetzen. Am Mittwochvormittag noch hatte die Koalition dazu zwei Gesetzesänderungen beschlossen. Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen. 

Hilfen für die Industrie

Deutschland steckt in einer Konjunkturflaute, schlecht geht es vor allem der Industrie. Kanzler Scholz hatte Ende Oktober einen Industriegipfel mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften veranstaltet. Er kündigte danach einen «Pakt für die Industrie» an, der sehr konkrete Maßnahmen umfassen solle, um den Standort zu stärken. Wirtschaftsverbänden beklagen vor allem im internationalen Vergleich hohe Energiepreise. 

Bis Jahresende will Scholz nun unbedingt «Sofortmaßnahmen» für die Industrie durchsetzen. Konkret sagte er, die Netzentgelte für Unternehmen sollten gedeckelt werden und es solle ein Paket geschnürt werden, das Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und bei den vielen Zuliefererbetrieben sichere. Denkbar wären zum Beispiel neue Fördermaßnahmen, um den Absatz von Elektroautos anzukurbeln. Maßnahmen zur Stärkung der Industrie würden aber Milliarden kosten.

Scholz sucht Unterstützung von Merz 

Der Kanzler kündigte an, er werde sehr schnell das Gespräch mit dem Oppositionsführer suchen, dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Er wolle ihm anbieten, in zwei entscheidenden Fragen, «gern auch mehr», konstruktiv zusammenzuarbeiten. Scholz nannte die schnelle Stärkung der Wirtschaft und die Verteidigung. «Unsere Wirtschaft kann nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, und wir brauchen jetzt Klarheit darüber, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen.» Die Frage ist allerdings, ob Merz das mitmacht.

Was höchst dringlich ist - aber von Scholz nicht genannt wurde 

Der Bundestag muss für das laufende Jahr noch einen Nachtragshaushalt beschließen - sonst könnte eine Haushaltssperre drohen. Im Sommer hatte die Koalition angekündigt, dass sie einige Milliarden aus zusätzlichen Krediten braucht, um geringere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben beim Bürgergeld sowie höhere Kosten zur Förderung der erneuerbaren Energien auszugleichen. Weil die Konjunktur in Deutschland schwächer als erwartet läuft, lässt die Schuldenbremse diese größere Kreditaufnahme zu.

Ohne die zusätzlichen Mittel könnte für manches Anliegen schlicht kein Geld mehr sein. Bei einer Haushaltssperre müssen alle Ausgaben vom Finanzministerium genehmigt werden. Das bedeutet große Unsicherheit zum Beispiel für viele Angestellte auf Projektbasis oder mit befristeten Arbeitsverträgen. 

Denn auch der Haushalt für 2025 ist noch nicht unter Dach und Fach. Das Jahr startet also wahrscheinlich mit einer vorläufigen Haushaltsführung, während der man sich auf unerlässliche und dringende Ausgaben beschränken muss. Schließlich kann kaum eine abtretende Regierung eine künftige auf einen Haushaltsplan festlegen.

© dpa-infocom, dpa:241107-930-281624/1