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Warnung vor Hungersnot: WHO fordert sofortige Hilfe für Gaza

Experten befürchten eine «unmittelbar bevorstehende Hungersnot» im Norden des Gazastreifens. Die Weltgesundheitsorganisation verlangt Abhilfe binnen Tagen. Derweil reißt die Gewalt in Nahost nicht ab.

ANTENNE BAYERN ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation Martial Trezzini/Keystone/dpa

Genf/Gaza/Tel Aviv/Doha/Beirut/Damaskus (dpa) - Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert angesichts der Warnungen internationaler Experten vor einer unmittelbar bevorstehenden Hungersnot im umkämpften Norden des Gazastreifens sofortige Hilfe. Die jüngste Einschätzung einer Initiative für die Analyse von Nahrungskrisen sei «zutiefst alarmierend», schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Plattform X. «Wir fordern eine sofortige Aufstockung und sicheren Zugang für humanitäre Hilfe - vor allem Lebensmittel und Medikamente für schwere Unterernährung - innerhalb von Tagen, nicht Wochen.»

Zuvor hatten die unabhängigen Experten der IPC-Initiative (Integrated Food Security Phase Classification) in einem ungewöhnlich dringlichen Aufruf geschrieben: «Alle Akteure, die direkt in den Konflikt verwickelt sind oder Einfluss auf dessen Verlauf haben, müssen sofort handeln, und zwar binnen Tagen und nicht erst in einigen Wochen, um diese katastrophale Situation abzuwenden.» 

Die Warnung kommt kurz vor Ablauf einer von den USA am 13. Oktober gesetzten Frist von 30 Tagen, binnen derer Israel die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessern müsse. Sonst könnte nach Darstellung der US-Regierung die Militärhilfe für ihren wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten eingeschränkt werden.

Zwar hatte das US-Außenministerium am Montag zugestanden, dass Israel wichtige Schritte für mehr humanitäre Hilfe unternommen habe. Jedoch sei mehr nötig, um die Not der Menschen in dem dicht besiedelten - und nach mehr als einem Jahr Krieg weitgehend zerstörten - Küstengebiet zu lindern.

Berichte: Katar weist Hamas-Vertreter auf US-Wunsch aus

Katar soll unterdessen Vertreter der radikalislamischen Hamas aufgefordert haben, das Golfemirat zu verlassen. Der Aufruf erging demnach bereits vor rund zehn Tagen auf dringendes Ersuchen der USA, wie unter anderem die «Times of Israel» und die «Financial Times» unter Berufung auf informierte Personen berichteten. Die Hamas unterhält demnach seit 2012 ein politisches Büro in der katarischen Hauptstadt Doha, da die USA darum gebeten hatten, einen Kommunikationskanal zu der Terrororganisation aufrechtzuerhalten. 

«Die Hamas ist eine Terrorgruppe, die Amerikaner getötet hat und Amerikaner weiterhin als Geiseln hält. Nachdem sie wiederholt Vorschläge zur Freilassung von Geiseln abgelehnt hat, sollten ihre Anführer nicht länger in den Hauptstädten amerikanischer Partner willkommen sein. Das haben wir Katar klargemacht», erklärte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Zu der jüngsten US-Entscheidung beigetragen habe auch die Hinrichtung des amerikanisch-israelischen Staatsbürgers Hersh Goldberg-Polin und fünf weiterer Geiseln durch die Hamas Ende August, erklärte ein US-Beamter der «Times of Israel». Wann genau die Hamas-Vertreter das Land verlassen und wo sie hingehen sollen, ist demnach unklar. Als mögliche Rückzugsorte gelten unter anderem die Türkei und der Irak.

Katar vermittelt wie die USA und Ägypten in den Gesprächen über eine Beendigung des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der Hamas, die aus Prinzip nicht direkt miteinander verhandeln. Die Bemühungen kommen seit Monaten nicht entscheidend voran. 

Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Palästinenserorganisationen hatten den Gaza-Krieg mit einem Massaker in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen am 7. Oktober 2023 ausgelöst. Bei dem Überfall wurden mehr als 1.200 Menschen getötet und etwa 250 weitere als Geiseln nach Gaza verschleppt.

Israels Armee: Kommandozentralen der Hisbollah bombardiert

Neben den Kämpfen im Gazastreifen geht auch die kriegerische Auseinandersetzung zwischen der israelischen Armee und der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon unvermindert weiter. Die israelische Armee bombardierte nach eigenen Angaben Kommandozentralen der Hisbollah in Wohngebieten nahe der libanesischen Küstenstadt Tyros. Die ebenso wie die Hamas vom Iran unterstützte Miliz habe ihre Zentralen für die Planung von Angriffen auf Israel absichtlich in Wohngebiete gelegt.

Das libanesische Gesundheitsministerium teilte mit, bei den israelischen Angriffen auf Tyros etwa 25 Kilometer nördlich der faktischen Grenze zu Israel seien drei Menschen getötet und etwa 30 weitere verletzt worden.

Israels Armee zerstörte eigenen Angaben zufolge auch Abschussrampen für Raketen, von denen aus israelisches Gebiet beschossen worden sei. Zudem hätten Bodentruppen Dutzende Hisbollah-Kämpfer getötet sowie Waffenlager und terroristische Infrastruktur zerstört. Die Angaben beider Kriegsparteien ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Hisbollah greift Israel seit Beginn des Gaza-Kriegs an. Damit will sie nach eigenen Angaben die Hamas im Gazastreifen unterstützen. Israel antwortet mit fast täglichen massiven Luftangriffen und setzt seit September auch Bodentruppen in dem abgeriegelten Küstengebiet ein. Die Führung des jüdischen Staats will die Hisbollah-Miliz aus dem Grenzgebiet Richtung Norden vertreiben, damit rund 60.000 aus dem Norden Israel evakuierte Zivilisten wieder in ihre Häuser zurückkehren können.

Rakete schlägt in arabisch geprägten Ort in Israel ein

Die Hisbollah griff Israel mit Dutzenden Raketen an und traf dabei ein arabisch geprägtes Dorf im Norden des Landes. Fünf Raketen seien auf den Ort Kafr Jasif nordöstlich von Haifa abgeschossen worden, teilte die Armee mit. Vier der Geschosse seien abgefangen worden, das Fünfte habe ein Wohnhaus getroffen. Verletzt worden sei niemand. Die «Times of Israel» veröffentlichte eine Videoaufnahme von dem Haus, zwei Betondecken wurden durchschlagen. 

Verletzte bei israelischem Luftangriff in Syrien gemeldet

Bei einem Luftangriff im Nordwesten Syriens sollen indes mehrere Soldaten verletzt worden. Ziel der nächtlichen Attacke waren laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana mehrere Orte in der Gegend von Aleppo und Idlib. Syrische Quellen machen die israelische Luftwaffe für den Angriff verantwortlich. Das israelische Militär äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorfall. Die Angaben ließen sich auch nicht unabhängig prüfen.

Sana sowie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien hatten unter anderem von lauten Explosionen in der Umgebung der Stadt Al-Safira in der Provinz Aleppo berichtet. 

Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele im benachbarten Syrien und will damit verhindern, dass der Iran und mit ihm verbündete Milizen wie die Hisbollah ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Seit Beginn des Gaza-Kriegs haben die israelischen Angriffe zugenommen.

© dpa-infocom, dpa:241109-930-283694/2