Razzia gegen Eritreer-Gruppe nach Festival-Ausschreitungen
Bei Veranstaltungen mit Eritrea-Bezug war es in Deutschland mehrmals zu Krawallen gekommen. Daran beteiligt gewesen sein soll eine Gruppe, die nun unter Terrorverdacht steht.


Karlsruhe (dpa) - Die Ausschreitungen am Rande von Eritrea-Festivals hatten für großes Aufsehen gesorgt: Nun ist der Generalbundesanwalt wegen Terrorverdachts gegen 17 mutmaßliche Mitglieder der sogenannten Brigade N'Hamedu vorgegangen, die an den Krawallen in Gießen und am Rande einer Veranstaltung in Stuttgart beteiligt gewesen sein soll. Es gab Durchsuchungen, aber zunächst keine Festnahmen.
Die auch international vernetzte Gruppierung wird von den Ermittlern als inländische terroristische Vereinigung eingestuft und soll spätestens seit 2022 in Deutschland aktiv geworden sein. Sie habe ihr Ziel, die Regierung in Eritrea zu stürzen, auch mit Gewaltaktionen in Deutschland verfolgt, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit.
Die Beschuldigten sollen in Deutschland leitende Funktionen bei der Brigade N'Hamedu haben. Einige Mitglieder der Vereinigung betrachteten Gewalt gegen deutsche Staatsinstitutionen und Polizisten, die zum Schutz der Veranstaltungen eingesetzt werden, als legitimes Ziel, heißt es.
Machthaber in Eritrea in der Kritik
Das Land am Horn Afrikas mit rund vier Millionen Einwohnern ist durch systematische Repressionen, Gewalt und die Verweigerung grundlegender Menschenrechte geprägt. Die autoritäre Regierung von Präsident Isaias Afewerki unterdrückt die Bevölkerung nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International durch Zwangsarbeit, erzwungene Wehrpflicht sowie eingeschränkte Meinungs-, Glaubens- und Pressefreiheit.
Zudem gibt es Berichte über großflächige Massaker, außergerichtliche Hinrichtungen und sexuelle Gewalt durch Sicherheitskräfte. Die Regierung des Ein-Parteien-Staats, in dem keine Wahlen abgehalten werden, weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück.
Angriffe am Rande von Festivals in Gießen
Hintergrund der Durchsuchungsaktion waren die Ausschreitungen am Rande von Eritrea-Festivals im August 2022 und Juli 2023 in Gießen sowie eines Seminars eines eritreischen Vereins im September 2023 in Stuttgart. Die Eritrea-Festivals in Gießen wurden vom Zentralrat der Eritreer in Deutschland organisiert, der als regierungsnah gilt. Kritiker werfen den Festivalorganisatoren vor, Propaganda für die eritreische Regierung zu betreiben, was die Veranstalter bestreiten.
Im August 2022 griffen etwa 100 Menschen Helfer sowie Besucher an. Es gab rund zwei Dutzend Verletzte, auch sieben Polizisten trugen leichte Verletzungen davon. Die Polizei löste die Veranstaltung auf. Am Rande des Festivals im Juli 2023 eskalierte die Gewalt erneut. Gegner der Veranstaltung griffen Polizeibeamte mit Steinen, Flaschen und Rauchbomben an und versuchten, Absperrungen zu durchbrechen. Dabei wurden mindestens 26 Polizisten verletzt.
Die Polizei war mit über 1.000 Einsatzkräften vor Ort, setzte Pfefferspray, Schlagstöcke und einen Wasserwerfer ein. Mindestens 60 Personen wurden in Gewahrsam genommen, zahlreiche Platzverweise erteilt. Rund 125 Strafverfahren leiteten die Ermittler anschließend ein.
Schwere Krawalle auch in Stuttgart
Im September 2023 demonstrierten in Stuttgart bis zu 200 junge Regimegegner mit Dachlatten und Stangen gegen eine Veranstaltung im Stuttgarter Römerkastell, weil die Teilnehmer ihrer Ansicht nach dem diktatorischen Regime in Afrika nahestanden. Sie warfen Steine und Flaschen auf Polizistinnen und Polizisten.
Nach Auskunft von Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) wurden in der Folge rund 190 Verfahren gezählt. Gegen rund 100 Menschen seien die Verfahren eingestellt worden. «Gegen 34 Personen wurde eine Geldstrafe verhängt, gegen 56 Personen eine Freiheitsstrafe. Die Urteile sind zum Teil noch nicht rechtskräftig», sagte Strobl. Einsatzkräfte seien massiv angegriffen und 34 Polizistinnen und Polizisten verletzt worden. Im Zuge der Ermittlungen seien rund 280 Tatverdächtige identifiziert worden. Die überwiegende Anzahl dieser Tatverdächtigen besitze die eritreische Staatsangehörigkeit.
Etwa 200 Polizisten im Einsatz
Bei der Aktion gegen die «Brigade N'Hamedu» waren den Ermittlern zufolge ab den frühen Morgenstunden rund 200 Polizeikräfte im Einsatz. Sie durchsuchten 19 Objekte, gemeint sind damit üblicherweise Wohnungen oder Geschäftsräume, in sechs Bundesländern. Darunter waren acht in Hessen, vier in Nordrhein-Westfalen, drei in Bayern, zwei in Baden-Württemberg sowie jeweils eins in Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz durchsucht. Auch in Dänemark gab es eine Durchsuchung der dänischen Polizei.
Ein weiterer Beschuldigter, der sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland eine Führungsposition in der Brigade innehaben soll, ist nach Angaben der Bundesanwaltschaft kürzlich von einem niederländischen Gericht wegen seiner Beteiligung an Ausschreitungen am 17. Februar 2024 in Den Haag zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Urteile nach Ausschreitungen
Auch in Deutschland wurden die Ausschreitungen strafrechtlich aufgearbeitet. Im März 2024 etwa verurteilte das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt einen damals 29-jähriger Eritreer wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und neun Monaten Haft.
Ebenfalls wegen Landfriedensbruchs und wegen gemeinschaftlich begangenen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verurteilte das Amtsgericht Gießen im Juli 2024 einen 24-Jährigen zu einem Jahr und drei Monaten Haft auf Bewährung.