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Russland greift Ukraine wieder aus der Luft an

Jede Nacht muss sich die Ukraine Schwärmen russischer Kampfdrohnen erwehren. Für die Menschen bedeutet dies stundenlanges Ausharren in geschützten Räumen, bis die Gefahr vorbei ist.

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Ukraine-Krieg - russische Rakete in der Ukraine Uncredited/Ukrainian Emergency Service/AP/dpa

Kiew (dpa) - Russland hat die Ukraine in der Nacht erneut aus der Luft attackiert. Über Kiew war am Donnerstagabend kurz vor Mitternacht Flugabwehrfeuer zu hören, weil Kampfdrohnen die Hauptstadt bedrohten, wie Bürgermeister Vitali Klitschko mitteilte. Abstürzende Trümmer beschädigten demnach eine Poliklinik und umliegende Gebäude.

Schwärme der unbemannten Flugobjekte wurden auch über den Gebieten Sumy, Tschernihiw, Poltawa und Kirowohrad geortet, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte. Vom Schwarzen Meer kommend, griffen weitere Drohnen die Küste bei Odessa an. Auch aus der Stadt Cherson im Süden wurden Explosionen gemeldet.

In der russischen Region Rostow wurden nach Angaben des Gouverneurs mindestens 30 ukrainische Drohnen abgewehrt, wie die russische Staatsagentur Tass berichtete. Menschen seien nicht zu Schaden gekommen. Allerdings sei ein Großbrand in einem Industriekomplex ausgebrochen, der von mehr als 100 Einsatzkräften bekämpft werde. Über dem russischen Gebiet Brjansk wurden nach Behördenangaben ebenfalls zwei ukrainische Drohnen abgeschossen.

Die Angriffe auf die Ukraine blieben diesmal zunächst schwächer als in der Nacht zuvor. Am Donnerstagmorgen hatte Russland mit etwa 90 Raketen sowie fast 100 Drohnen einen der schwersten Angriffe in mehr als 1000 Tagen Krieg geflogen. US-Präsident Joe Biden sprach von einem «ungeheuerlichen Angriff», der einmal mehr zeige, wie dringend die Ukrainer Hilfe bräuchten.

Die Attacke galt dem ohnehin beschädigten Energiesystem des angegriffenen Landes. Hunderttausende Haushalte waren zeitweise ohne Strom. Auch für Freitag haben die ukrainischen Energieversorger Stromabschaltungen angekündigt, um das System zu stabilisieren.

Putin droht mit weiteren Raketenangriffen

Russlands Präsident Wladimir Putin, der den Angriffskrieg auf die Ukraine befohlen hat, drohte mit neuen Einsätzen seiner neuen Mittelstreckenrakete gegen Ziele im Nachbarland, darunter auch Kiew. Derzeit wähle Moskau Ziele für weitere Schläge aus. «Das können Militärobjekte, Unternehmen der Rüstungswirtschaft oder Entscheidungszentren in Kiew sein», sagte Putin auf einer Sitzung des von Russland dominierten Militärbündnisses Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit (OVKS) in Kasachstans Hauptstadt Astana. Erstmals hatte Russland vergangene Woche die neue Rakete mit der Bezeichnung Oreschnik auf die ukrainische Großstadt Dnipro abgefeuert.

Selenskyj: Putin sabotiert Trumps Bemühungen um Frieden

Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj bewertete Putins Raketen-Drohungen als Störfeuer gegen mögliche Friedensbemühungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump. «Putin will die Situation jetzt eskalieren lassen, damit Präsident Trump scheitert, damit er den Krieg nicht beenden kann», sagte Selenskyj. «Putin ist der Einzige, der für diesen Krieg verantwortlich ist, und der Einzige, der an den Krieg glaubt.» Der Republikaner Trump hat angekündigt, er werde den Krieg schnell beenden können. Unklar ist, wie. Er zieht am 20. Januar 2025 zum zweiten Mal ins Weiße Haus ein. 

Fragen zum Mobilisierungsalter in der Ukraine

Die Ukraine muss sich derweil mit Fragen von Verbündeten wegen ihrer Mobilisierungsstrategie auseinandersetzen. Das sagte der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Heorhij Tychyj, und bestätigte damit Medienberichte aus den USA. Er bestritt aber, dass dies ein Streitpunkt mit den westlichen Partnern sei. Die Ukraine hat in diesem Jahr das Mobilisierungsalter von 27 auf 25 Jahre herabgesetzt, um mehr Soldaten für ihre Armee zu gewinnen. 

Andere Armeen ziehen junge Männer mit der Volljährigkeit ein, also ab 18 Jahren. Diese Jahrgänge sind allerdings in der Ukraine zahlenmäßig schwach. Tychyj sagte, die Rekrutierung sei weniger eine Frage des Alters. Dem Land fehle es an Ausrüstung und Waffen, um bereits mobilisierte Soldaten auszustatten. Selenskyj unterzeichnete unterdessen ein umstrittenes Gesetz, wonach ein einmaliges Desertieren von Soldaten bei einer freiwilligen Rückkehr in den Militärdienst straffrei bleibt. 

Verteidigung macht fast zwei Drittel des ukrainischen Haushalts aus

Ebenfalls setzte der Präsident mit seiner Unterschrift den Haushalt der Ukraine für 2025 in Kraft. Er sieht Ausgaben von 3,6 Billionen Hrywnja (etwa 82 Milliarden Euro) vor. Knapp zwei Drittel davon, nämlich 2,23 Billionen Hrywnja, sind für Verteidigung und Rüstung vorgesehen. Als eigene Einnahmen erwartet die Ukraine 2,05 Billionen Hrywnja. Für Bürger und Unternehmen werden die Steuern schon ab November stark erhöht. Zur Deckung des Fehlbetrags ist das Land auf ausländische Finanzhilfe angewiesen. Ministerpräsident Denys Schmyhal sagte trotzdem, dass die Ukraine zuversichtlich in das neue Haushaltsjahr gehe.

Norwegen gibt mehr Geld 

Die norwegischen Parlamentsparteien wollen die Ukraine im nächsten Jahr mit mindestens 35 Milliarden norwegischen Kronen unterstützen, wie die Regierung des russischen Nachbarlandes nach einem Treffen im Parlament in Oslo mitteilte. Umgerechnet sind das knapp drei Milliarden Euro. Knapp zwei Drittel davon sollen in die militärische Unterstützung fließen, der Rest ist für humanitäre und zivile Unterstützung vorgesehen. Es handle sich um ein wichtiges Signal für die Ukraine, aber auch für diejenigen, die das Land angreifen, sagte Regierungschef Jonas Gahr Støre nach Angaben der Nachrichtenagentur NTB.

© dpa-infocom, dpa:241129-930-302633/1