30 Jahre nach Anschlagsplan - Einigung auf Bewährungsstrafe
1995 planten drei Männer einen Anschlag auf einen Gefängnisbau in Berlin. Sie flogen auf und flohen für 30 Jahre. Im Prozess gestehen zwei von ihnen. In Aussicht steht ein Leben in Freiheit.


Berlin (dpa) - 30 Jahre sind vergangen seit einem gescheiterten linksextremen Sprengstoffanschlag in Berlin, Jahrzehnte waren die mutmaßlichen Täter im Ausland untergetaucht - nun läuft der Prozess gegen sie auf Bewährungsstrafen hinaus. Aus Sicht der Angeklagten Peter K. (65) und Thomas W. (62) ist das ein Erfolg. W. zeigte Unterstützern im Zuschauerraum des Berliner Kammergerichts am ersten Prozesstag mit einer Hand das Siegeszeichen. Kurz danach legten beide über ihre Anwälte Geständnisse ab. Ein Urteil soll es im April geben.
Angebot: Bewährungsstrafe und Aufhebung der U-Haft
Der Vorsitzende Richter Gregor Herb schlug zu Beginn nach Verlesung der Anklage eine sogenannte Verständigung zwischen den Prozessbeteiligten vor: Danach sei eine Gefängnisstrafe zwischen einem Jahr und zehn Monaten und zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, für die beiden Angeklagten möglich. Voraussetzung seien die Geständnisse. Auch die Untersuchungshaft solle dann noch am ersten Prozesstag ausgesetzt werden, sagte der Richter.
Wie erwartet stimmten Bundesanwaltschaft und Verteidiger zu. Die beiden Verteidiger verlasen kurze, aber umfassende Geständnisse von Peter K. und Thomas W. Damit waren die Voraussetzungen der Verständigung erfüllt.
Absprachen zur Verständigung
Zuvor hatte es dazu Gespräche gegeben, wie Richter Herb sagte. Solche Absprachen im Strafprozess sind in bestimmten Fällen zulässig. Sie sollen vor allem die Arbeitsbelastung der Justiz mindern, bieten aber auch Angeklagten Vorteile.
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hatte im Dezember 2024 Anklage wegen der Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gegen die Männer erhoben. Erst in der vergangenen Woche waren sie nach Flucht, Untertauchen und Exil in Südamerika aus Venezuela nach Deutschland zurückgekehrt, am Berliner Flughafen festgenommen und in die Untersuchungshaft gebracht worden.
Geständnisse
Laut ihrer Geständnisse, die von den jeweiligen Verteidigern vorgelesen wurden, planten Peter K. und Thomas W. sowie ein inzwischen gestorbener Komplize als Gruppe unter dem Namen «Das K.O.M.I.T.T.E.E.» im April 1995 den Anschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau. Vor allem Abschiebungen von kurdischen Unterstützern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in türkische Gefängnisse habe man verhindern wollen.
Dafür füllten sie mehr als 120 Kilogramm Sprengstoff in Propangasflaschen und bauten Zeitzünder ein, wie sie gestanden. Der Anschlag scheiterte, weil beim Umladen auf einem Parkplatz eine Polizeistreife auftauchte. Die Männer flüchteten, wobei sie ihre Ausweise zurückließen - und Deutschland für lange Zeit verließen.
Angeklagte: Halten Abschiebungen weiter für «unerträglich»
Ihre grundsätzliche politische Einstellung habe sich nicht geändert, deuteten K. und W. in ihren Geständnissen an. W. sagte in seinem Geständnis, er halte die Praxis der Abschiebung damals und heute für «unerträglich». Auf seinem T-Shirt stand «Systemchange».
Wichtig sei ihnen bei den Planungen zu dem Anschlag gewesen, keine Menschen zu gefährden, betonten beide. In ihrem Geständnis gaben sie auch einen vorherigen Brandanschlag auf ein Kreiswehrersatzamt der Bundeswehr in Brandenburg zu.
Kleiner Bio-Bauernhof in Venezuela als Lebensmittelpunkt
Ob sie ihre Zukunft in Deutschland oder Venezuela sehen, sagten sie nicht. K. berichtete in seinem Geständnis auch kurz von seinem Leben in Venezuela. «Ich habe dort einen kleinen Bio-Bauernhof mit Salat und Erdbeeren, das ist bis heute mein Lebensmittelpunkt.» Sie seien nun «aus freien Stücken nach Berlin gekommen, um alte Freunde zu treffen».
Beide Angeklagten konnten das Gericht nach knapp zweistündiger Verhandlung frei verlassen und ihre Sachen aus dem Untersuchungsgefängnis abholen. Dafür könne der «Komfort der Fahrbereitschaft zur JVA Moabit in Anspruch» genommen werden, sagte der Richter mit einem Lächeln zum Abschluss der Verhandlung. Im Zuschauerraum erhoben sich einige Unterstützer und skandierten: «Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord.» Der Richter erwiderte: «Dann bis morgen also.»
Der Prozess soll nach aktuellem Stand noch weitere drei Verhandlungstage dauern und am 8. April mit dem Urteil enden. Bis dahin müssen sich die beiden Angeklagten zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, einer will in den nächsten Wochen in Berlin bleiben, der andere in der Nähe von Baden-Baden, wo er geboren wurde.