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Nach Streit Bewegung bei US-Rohstoffabkommen mit der Ukraine

Tagelang hat US-Präsident Trump den ukrainischen Staatschef Selenskyj mit haarsträubenden Beschimpfungen überzogen. Möglicher Hintergrund: die Verhandlungen über Reichtümer der Ukraine.

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US-Sondergesandter Kellogg bei Selenskyj Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Kiew/Washington (dpa) - Nach tagelangem Streit zwischen den USA und der Ukraine deutet sich Bewegung in der Frage eines Rohstoffabkommens an. «Die Ukraine ist bereit für ein starkes, effektives Investitions- und Sicherheitsabkommen mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten», schrieb der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj auf der Plattform X. 

Zuvor hatte er den Sondergesandten von US-Präsident Donald Trump für die Ukraine, Keith Kellogg, in Kiew getroffen. Das Treffen sei produktiv gewesen, die Diskussion mit Kellogg gut, teilte Selenskyj mit. Allerdings ging Kellogg nicht wie geplant mit Selenskyj vor die Presse. Eine Pressekonferenz wurde auf Wunsch der US-Seite abgesagt, wie ukrainische Medien meldeten.

Trump knüpft US-Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine an Zugang zu deren Vorrat an seltenen Erden. Die Vorkommen gelten als wirtschaftlich lukrativ und strategisch bedeutsam. Einen ersten Vertragsentwurf aus Washington hatte Selenskyj aber abgelehnt. Berichten zufolge forderten die USA 50 Prozent der Einkünfte aus diesen Rohstoffen und wollten sich damit die bisher geleistete Militärhilfe im Nachhinein bezahlen lassen. 

Sicherheitsgarantien gegen fortgesetzte russische Aggression waren nach Kiewer Darstellung in dem Dokument nicht vorgesehen. «Wir müssen und können einen starken und dauerhaften Frieden erreichen, sodass Russland niemals mit Krieg zurückkehren kann», erklärte Selenskyj.

Geänderter Vertragsentwurf aus Washington

Inzwischen habe die Trump-Administration einen neuen Vertragsentwurf nach Kiew übermittelt, berichtete in den USA das Nachrichtenportal «Axios». Darin seien einige Punkte geändert worden, die für die Ukraine unannehmbar gewesen seien, hieß es unter Berufung auf Beteiligte am Verhandlungsprozess.

Selenskyj solle an den Verhandlungstisch zurückkehren, forderte Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz. «Das sind Verhandlungen. Und in Verhandlungen verhandelt man.» Es könne für die Ukraine keine bessere Garantie geben als US-Investitionen in ihren langfristigen Wohlstand.

Waltz führte die Beschimpfungen Trumps in den letzten Tagen auf Ärger über Selenskyjs Zögern zurück. «Der Präsident hat offensichtlich seinen Frust sehr öffentlich gemacht, weil wir den Ukrainern eine unglaubliche und historische Chance gegeben haben, dass die USA in der Ukraine mit investieren», sagte Walz dem Trump-nahen US-Sender Fox News. Der US-Präsident hatte Selenskyj einen Diktator genannt, der keine Wahlen zulasse. Er hatte auch behauptet, dass die Ukraine Schuld am Andauern des Krieges habe.

Sondergesandter auf Erkundungsmission

Kellogg sondiert als Gesandter Trumps in einem mehrtägigen Besuch mit der politischen und militärischen Führung die Situation in dem osteuropäischen Land. Die Ukraine wehrt sich seit knapp drei Jahren gegen die russische Invasion. Die USA waren bisher der wichtigste Unterstützer des Landes, Trump wendet sich aber drastisch von diesem Kurs ab. Er will den Krieg beenden - es wird aber zunehmend befürchtet, dass er mit Kremlchef Wladimir Putin Entscheidungen über den Kopf der Ukraine hinweg treffen könnte.

Zwei Dollar Investition in Drohnen richten zehn Dollar Schaden an

In seiner abendlichen Videobotschaft machte Selenskyj folgende Rechnung zu den ukrainischen Drohnenangriffen auf russische Militär- und Industrieanlagen auf: «Für jede zwei Dollar, die wir in unsere Langstreckenkapazität investieren, erhalten wir bereits fast zehn Dollar an russischen Verlusten». 

Am Donnerstagabend setzten die ukrainischen Streitkräfte die Drohnenangriffe tief in russisches Gebiet fort. Ein Umspannwerk im südrussischen Gebiet Krasnodar wurde dabei nach Behördenangaben gleich zweimal durch herabstürzende Drohnentrümmer beschädigt. Allerdings litt auch die Ukraine in der Nacht auf Freitag unter einer russischen Attacke mit Drohnenschwärmen. 

Macron und Starmer reisen zu Trump

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reist am Montag nach Washington, um mit Trump über die Friedensbemühungen für die Ukraine zu beraten. Das kündigte der Élysée-Palast in Paris an. Er wolle Trump überzeugen, dass «es in seinem Interesse ist, im Moment mit den Europäern zusammenzuarbeiten», sagte Macron. Trump dürfe die Ukraine nicht durch Russland erobern lassen, weil sonst auch europäisches und amerikanisches Kriegsgerät Moskau in die Hand falle.

Angesichts von Trumps Alleingang bei einer möglichen Friedenslösung für die Ukraine hatte Macron am Montag europäische Staats- und Regierungschefs zu Krisenberatungen nach Paris gerufen. Bei dem Treffen ging es unter anderem um die Frage von europäischen Truppen zur Absicherung eines möglichen Waffenstillstands. Auch der britische Premierminister Keir Starmer will kommende Woche nach Washington reisen und Trump treffen. Nach Medienberichten könnte es Starmer darum gehen, das Konzept für eine Friedenstruppe vorzustellen.

Britischer Außenminister: Lawrow verbreitet «müde Märchen»

Der britische Außenminister David Lammy bezweifelt, dass Russland ernsthaft über eine Friedenslösung in der Ukraine verhandeln will. Nach einer Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow beim G20-Außenministertreffen in Johannesburg sagte Lammy laut britischer Nachrichtenagentur PA: «Ich sehe keinen Appetit, diesen Frieden wirklich zu erreichen.» Man sei nicht in die Nähe einer Verhandlungslösung gekommen.

Lammy warf Lawrow in seiner vom Außenministerium veröffentlichten Rede vor, «müde Märchen» und «die Logik des Imperialismus, verkleidet als Realpolitik» zu verbreiten. «Wenn es (Kremlchef Wladimir) Putin mit einem dauerhaften Frieden ernst ist, dann muss er einen Weg finden, der die Souveränität der Ukraine und die UN-Charta respektiert, der glaubwürdige Sicherheitsgarantien bietet und der den zaristischen Imperialismus zurückweist, und Großbritannien ist bereit, zuzuhören.» 

UN-Resolution: Besiegeln die USA Abkehr von der Ukraine?

Vor einer großen Ukraine-Abstimmung bei den Vereinten Nationen in New York herrscht Unklarheit über die künftige diplomatische Linie der Vereinigten Staaten unter Trump. In der UN-Vollversammlung soll am Montag zum Jahrestag des Einmarsches von Russland in die Ukraine über einen Resolutionsentwurf zur Unterstützung Kiews abgestimmt werden. Westliche Diplomatinnen und Diplomaten fürchten, dass die USA dabei vor der Weltgemeinschaft ihre bislang vor allem rhetorische Abkehr von der Ukraine mit einem Votum auch diplomatisch zementieren könnten.

Auf die Frage, ob die USA den Beschlussentwurf mit der Forderung nach dem vollständigen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine unterstützen würden, sagte der amtierende amerikanische Botschafter John Kelley: «Wir müssen abwarten, welche Anweisungen wir aus Washington bekommen, also hoffentlich kommen sie bald.» Wenn die USA dem von der Ukraine ausgearbeiteten Resolutionsentwurf nicht zustimmen, wäre dies ein weiterer Schritt der Abkehr Washingtons von Kiew.

© dpa-infocom, dpa:250221-930-381619/1