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Warum wollen Rebellen den Ostkongo kontrollieren?

Seit Jahren ist der Osten der Demokratischen Republik Kongo umkämpft. Jetzt spitzt sich der Konflikt mit dem Kampf um die Millionenstadt Goma massiv zu. Warum ist das Gebiet so begehrt?

ANTENNE BAYERN ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
Konflikte im Kongo Moses Sawasawa/AP/dpa

Goma/Kinshasa/Kigali (dpa) - Der Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist dramatisch eskaliert. Die Rebellenmiliz M23 ist in die strategisch wichtige Provinzhauptstadt Goma in Nord-Kivu eingedrungen. Es ist aktuell unklar, wer die Stadt kontrolliert. UN-Mitarbeiter berichten von Leichen in den Straßen. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. In anderen Gebieten des Ostkongo sind die Rebellen bereits an der Macht - einer Region mit beträchtlichen unerschlossenen Bodenschätzen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Konflikt:

Wer sind die M23-Rebellen und was wollen sie?

Unter den geschätzt hundert Milizen im Kongo ist die M23 eine der mächtigsten. Sie kämpft seit Jahren gegen kongolesische Regierungstruppen und mit ihr verbündete Milizen, um sich den Zugang zu Bodenschätzen zu sichern. Sie will zudem als politische Gruppierung anerkannt werden und baut in den von ihr kontrollierten Gebieten Regierungsstrukturen auf. 

Seit etwa zwei Jahren kontrolliert sie große Teile der östlichen Provinz Nord-Kivu und vor allem den Bergbau in der Region. Hier werden einige der seltensten und wertvollsten Metalle der Welt - Coltan, Gold, Nickel, Kobalt und Kupfer - in großen Mengen abgebaut. In den vergangenen Wochen konnte die M23 umfangreiche Gebietsgewinne verzeichnen. 

Warum erfolgt der Angriff auf Goma gerade jetzt?

Die jetzige Zuspitzung des Konflikts mit dem Angriff der M23 auf Goma sei Teil der Strategie der Rebellen, die Regierung in Kinshasa zu Verhandlungen zu zwingen, sagt der Afrika-Analyst der Risikoberatungsfirma Verisk Maplecroft, Andrew Smith. Präsident Félix Tshisekedi habe sich bisher geweigert, mit der Miliz zu verhandeln. Ein zentrales Anliegen der M23 für derartige Verhandlungen ist die Verbesserung der politischen und sozialen Bedingungen der Tutsi-Minderheit im Ostkongo, die ihrer Auffassung nach diskriminiert wird.

Die M23 habe den Zeitpunkt des Angriffs auf Goma geschickt gewählt, meint Jakob Kerstan, der Landesdirektor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kinshasa. «Die westliche Gemeinschaft ist gerade mit anderen Konflikten beschäftigt. Das US-Department für Afrika ist noch nicht besetzt, also nicht wirklich handlungsfähig.»

Welche Rolle spielt das Nachbarland Ruanda?

Auch Ruanda hat Interesse am Rohstoffreichtum des Ostkongo. Tshisekedis Regierung wirft dem Nachbarn vor, die M23 logistisch und finanziell zu unterstützen. Der unabhängige UN-Expertenrat für den Kongo ging in seinem jüngsten Bericht Ende 2024 von mindestens 3.000 bis 4.000 ruandischen Soldaten im Ostkongo aus. Ruanda bestreitet jedoch, die Rebellen zu unterstützen.

Könnte es zu einem Krieg zwischen Ruanda und dem Kongo kommen?

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern sind seit Jahrzehnten angespannt. In den beiden «Kongo-Kriegen» - von 1996 bis 1997 und von 1998 bis 2002 - zwischen dem Kongo und Ruanda starben Schätzungen zufolge insgesamt sechs Millionen Menschen. Darüber, ob es zu einem dritten Krieg kommen könnte, sind sich die Experten uneinig: Während Smith das Risiko eines erneuten zwischenstaatlichen Konflikts als hoch einstuft, glaubt Kerstan, Kinshasa sei sich bewusst, militärisch keine Chance gegen das wesentlich kleinere, aber deutlich besser ausgestattete und trainierte Militär Ruandas zu haben.

Wer versucht, in dem Konflikt zu vermitteln?

Regionale Bemühungen, den Konflikt zu schlichten, sind groß. Die Ostafrikanische Gemeinschaft unter dem Vorsitz von Kenias Präsident William Ruto will zwischen Ruanda und dem Kongo vermitteln. Ruto hat sich dafür bereits die Unterstützung von Frankreich und den USA zugesichert. Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, der als einer der besten politischen Verhandler auf dem Kontinent gilt, hat sich an Ruandas Präsident Paul Kagame gewandt, um Verhandlungen für einen Waffenstillstand in Gang zu setzen.

Tshisekedi hat zwar eine Krisensitzung mit Vertretern der Afrikanischen Union abgehalten, sich aber noch nicht öffentlich dazu geäußert, wie er auf den schweren Rückschlag durch den jetzigen Vormarsch der M23 reagieren will.

Warum sind die Vereinten Nationen involviert?

Die UN-Mission Monusco ist seit Ende des letzten Kongo-Kriegs in dem Land stationiert, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Als eine der größten Friedensmissionen mit mehr als 14.000 Mitarbeitern - der Großteil davon militärisches Personal - hat Monusco eine spezielle Interventionsbrigade, um militärisch gegen bewaffnete Gruppen vorzugehen. Auch regionale Truppen der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) unterstützen die UN-Mission.

Die bisherige Bilanz des Einsatzes gilt jedoch als gemischt. Monusco hat zur Stabilisierung bestimmter Regionen beigetragen, dennoch bleibt die Sicherheitslage in vielen Landesteilen angespannt, bewaffnete Gruppen sind weiterhin aktiv. Viele Kongolesen werfen Monusco vor, nicht ausreichend auf die anhaltende Gewalt und die daraus folgende humanitäre Krise reagiert zu haben. Zudem gibt es Berichte über von Blauhelmen begangene Menschenrechtsverletzungen im Kongo. 

Warum greifen Demonstranten nun Botschaften in Kinshasa an? 

Wütende Demonstranten haben nach dem Vordringen der M23 in Goma mehrere westliche und afrikanische Botschaften in Kinshasa angegriffen. Es ist nicht das erste Mal, dass es in der Hauptstadt zu derartigen Angriffen kommt. Bereits im Vorjahr kam es zu ähnlichen gewalttätigen Protesten. Die Demonstranten werfen westlichen Regierungen vor, ihren Einfluss auf Ruanda nicht zu nutzen, um die Rebellenangriffe im Ostkongo einzudämmen.

Wie geht es den Menschen in Goma?

Die Einwohner Gomas, die nicht aus der Millionenstadt flüchten konnten, verschanzen sich seit Tagen in ihren Häusern. Strom- und Wasserversorgung sind seit dem Angriff unterbrochen, das Internet funktioniert nur sporadisch. Berichte von Plünderungen und steigender Kriminalität zirkulieren auf sozialen Medien. Seit dem Ausbruch von Tausenden Häftlingen aus einem Gefängnis am Montag hat sich die Sicherheitslage in der Stadt zusätzlich verschlechtert.

Schon vor dem Angriff durch die M23 war die humanitäre Lage in Goma und Umgebung prekär. Seit Jahren suchen Hunderttausende Vertriebene aus umkämpften Gebieten in der Provinzhauptstadt Zuflucht. Die Flüchtlingslager sind überfüllt. Der Zugang zu Lebensmitteln, Wasser oder medizinischer Versorgung galt bereits vor der aktuellen Krise als äußerst kritisch.

© dpa-infocom, dpa:250128-930-357716/2