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Habecks «Sicherheitsoffensive» löst Empörung aus

Der Kanzlerkandidat der Grünen meldet sich zur Migration zu Wort. Junge Grüne reagieren harsch. Die Partei stellt sich hinter Habeck - in bemerkenswerter Form.

ANTENNE BAYERN ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
Robert Habeck Boris Roessler/dpa

Berlin (dpa) - Vorschläge von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck für Verschärfungen in der Migrationspolitik haben heftige Reaktionen in den eigenen Reihen ausgelöst. Die Grüne Jugend Niedersachsen ging Habeck in sozialen Medien hart an, sein Vorstoß löste Empörung aus. Die Bundespartei reagierte auf die Debatte.

Harsche Worte von der Grünen Jugend Niedersachsen

«Wortbruch statt Wort», steht in der Parodie eines Grünen-Wahlplakats mit Habeck, das der Landesverband der traditionell linken Nachwuchsorganisation in sozialen Medien verbreitete. «Habeck oder Merz, wo ist der Unterschied?» In einer weiteren Kachel wird Habeck «eine menschenfeindliche Abschiebepolitik, die sich an rechten Narrativen orientiert», vorgehalten. Ein entsprechender Instagram-Post wurde gelöscht, auf Facebook waren die Bilder am Dienstagabend noch zu sehen. Zuvor hatte die «Bild» darüber berichtet. 

Die Landesführung der Grünen und die beiden dortigen Spitzenkandidaten distanzierten sich deutlich. «Die Kommentierung der Grünen Jugend Niedersachsen entspricht nicht unserer Haltung. Wortwahl und Inhalt halten wir für inakzeptabel», sagten sie der Deutschen Presse-Agentur. Habecks Vorschläge müssten sachlich diskutiert werden. 

Habecks «Sicherheitsoffensive»

Habeck hatte am Montag - pünktlich zum CDU-Parteitag - in der «Bild»-Zeitung eine «Sicherheitsoffensive» lanciert. In dem 10-Punkte-Plan, den er größtenteils schon in der vergangenen Woche in einem Instagram-Beitrag vorgestellt hatte, macht er sich unter anderem für mehr Abschiebungen stark. Noch am selben Tag verschickte auch die Partei das Papier. Darin fordert Habeck mit Blick auf offene Haftbefehle eine «Vollstreckungsoffensive mit Schwerpunkt auf Islamisten und anderen Extremisten». Und: «Nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle müssen konsequent abgeschoben werden.»

Das löste Unruhe aus. Unter einem Instagram-Post von Grünen-Chefin Franziska Brantner, in dem sie Punkte des Plans transportierte, hagelte es wütende und entsetzte Kommentare, über die ebenfalls die «Bild» berichtete. Der Post ist inzwischen nicht mehr online. 

Ein Grüner vom linken Flügel glaubt, dass der Widerstand sich weniger an den Inhalten von Habecks Plan entzündete, von denen sich etliche auch im Parteiprogramm finden. Es gehe vielmehr um den Zeitpunkt von Habecks Vorstoß in der «Bild». Nach den großen Demonstrationen gegen einen Rechtsruck setze ein solcher Schritt die falschen Prioritäten. «Es braucht jetzt nicht die Asylwende von Friedrich Merz, sondern eine hin zu mehr Humanität», sagte das Parteimitglied, das nicht namentlich genannt werden wollte.

Die Partei reagiert

Die Partei bekräftigte den Forderungskatalog ihres Kanzlerkandidaten am Dienstag ausdrücklich. Sie stellte das Papier auf ihre Internetseite und wies per X-Post darauf hin. «Es war uns wichtig, das Thema in der nötigen Vielschichtigkeit darzustellen, darum haben wir den ausführlichen Text auf der Homepage veröffentlicht», sagte eine Sprecherin. Interessant ist aber die Form, die man als Reaktion auf die Empörung begreifen kann. 

In einer am Montag an Journalisten verschickten Version wurde der Plan noch von Sätzen wie diesem eingeleitet: «Die Sicherheitsbehörden brauchen das Personal, die Technik und die Befugnisse, um Gewalttäter dingfest und Terroristen rechtzeitig ausfindig zu machen und Anschlagspläne aufzudecken. Zu einer Sicherheitsoffensive gehören auch Schritte, die die irreguläre Migration weiter reduzieren und begrenzen.»

Auf der Grünen-Seite liest sich das nun anders. Dort stellen die Grünen dem Plan eine Abgrenzung zu Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Merz voraus, der «entgegen seinem Versprechen im Bundestag gemeinsame Sache mit den Rechtsextremist*innen gemacht hat». Zur Aufnahme Geflüchteter heißt es: «Wir stehen zu dieser humanitären Verpflichtung.»

Grünen-Chef: Braucht Debatte über Sicherheitspolitik

Parteichefin Franziska Brantner sagte der dpa zu Habecks Plan: «Unser Kanzlerkandidat Robert Habeck hat Vorschläge gemacht, wie wir drängende Sicherheitsprobleme anpacken. Damit zeigt er, dass wir Grünen zu konstruktiven Gesprächen in der politischen Mitte bereit sind.» Sie warnte vor einer «faktischen Zusammenarbeit mit den Rechtsextremen». Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hatte in der vergangenen Woche Vorschläge im Bundestag zur Abstimmung gestellt, für die eine Mehrheit nur mit Stimmen der AfD denkbar waren. Ein Antrag wurde verabschiedet, ein Gesetz scheiterte.

Co-Parteichef Felix Banaszak erklärte: «Egal ob eingewandert oder hier geboren, uns alle eint der Wunsch nach einem Leben in Sicherheit. Vielen Menschen macht Angst, wenn Geflüchtete oder Menschen mit Migrationsgeschichte in der aktuellen Debatte pauschal als Problem behandelt werden und die Union die Brandmauer zur in Teilen rechtsextremen AfD einreißt.» Aber nach den Taten von Solingen, Magdeburg und Aschaffenburg brauche es auch eine ernsthafte Debatte über Konsequenzen in der Sicherheitspolitik. 

Die Aufregung um das Habeck-Papier zeigt einen Schmerzpunkt der Grünen auf. Zwar verweist die Partei zu Recht immer wieder auf Verschärfungen bei Asyl und innerer Sicherheit, die sie mitgetragen hat - allerdings stets mit erkennbarem Ringen. Der Realo Habeck kann mit manchen Skrupeln wenig anfangen, er zielt auf die Mitte der Gesellschaft, auch auf von Merz enttäuschte einstige Merkel-Wähler. Doch wer Habeck will, muss die Grünen wählen. Egal, wie klein das Parteilogo auf seinen Plakaten aussieht.

© dpa-infocom, dpa:250204-930-365467/3