Bundestag beschließt Antrag zu Bekämpfung von Antisemitismus
Ein Antrag zum Schutz jüdischen Lebens findet eine große Mehrheit im Bundestag. Es geht darum, wo Antisemitismus anfängt und wie man ihm einen Riegel vorschiebt.
Berlin (dpa) - Der Bundestag hat in seiner ersten Plenarsitzung nach dem Ampel-Aus mit breiter Mehrheit einen Antrag mit dem Titel «Nie wieder ist jetzt: Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken» verabschiedet. Der Inhalt des Antrags, den SPD, Grüne, FDP und Union gemeinsam erarbeitet haben, ist zwar nicht rechtsverbindlich, dürfte aber politische Wirkung entfalten. Für ihn stimmten, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas verkündete, CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP sowie die AfD. Dagegen votierten demnach das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die Gruppe Die Linke enthielt sich.
Mit dem Antrag werde klargestellt, dass es «auch in den Reihen von Kunst, Kultur und Medien» keinen Platz für Antisemitismus gebe, sagte Michael Breilmann (CDU). Er trat dem Vorwurf von Wissenschaftlern entgegen, die vor allem die darin verwendete Definition von Antisemitismus kritisierten.
Repressive Möglichkeiten sollen konsequent genutzt werden
Der Antrag von SPD, Grünen, FDP und Union hat das Ziel, Antisemitismus zu bekämpfen. Darin wird dazu aufgerufen, «Gesetzeslücken zu schließen und repressive Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen», insbesondere im Strafrecht sowie im Aufenthalts-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht. Die vier Fraktionen kritisieren einen «relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus» und fordern die Bundesregierung auf, sich «aktiv für die Existenz und die legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel» einzusetzen. Gegenüber Ländern und Kommunen solle sie darauf hinwirken, bei Entscheidungen, etwa über die Förderung bestimmter Projekte, die sogenannte IHRA-Antisemitismusdefinition als maßgeblich heranzuziehen.
Kontroverse um Definition von Antisemitismus
Die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) hält unter anderem fest, dass sich Erscheinungsformen von Antisemitismus «auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten» können. Die Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin, Barbara Stollberg-Rilinger, sagte vor Beginn der Debatte, die IHRA-Definition sei unbestimmt, und «das führt dazu, dass sie unglaublich missbrauchsanfällig ist». Der Antisemitismus-Vorwurf eigne sich «in hervorragender Weise, um politische Gegner zum Schweigen zu bringen und zu diffamieren», warnte die Historikerin.
Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz sagte in der Debatte, die IHRA-Definition werde in dem Antrag «nicht für absolut» erklärt, sondern solle als maßgeblich herangezogen werden.
Beatrix von Storch (AfD) sagte, in dem Antrag fänden sich die Warnungen ihrer eigenen Partei vor «importiertem Antisemitismus» wieder. In einem von den Grünen mitinitiierten Antrag sei das bemerkenswert. In dem verabschiedeten Text heißt es: «In den vergangenen Monaten ist nicht zuletzt das erschreckende Ausmaß eines Antisemitismus deutlich geworden, der auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, auch aufgrund islamistischer und antiisraelischer staatlicher Indoktrination, verbreitet sind.»
An diesem Passus stört sich unter anderem Hakan Demir von der SPD. In der Debatte sagte er, anstatt Menschen aus bestimmten Regionen hier pauschal zu benennen, wäre es besser zwischen Demokraten und Anti-Demokraten zu unterscheiden.
Gleichzeitig seien antisemitische Verschwörungstheorien sowie völkisches Denken auf dem Vormarsch, heißt es weiter im Text des Antrags. Seine Autoren kritisieren zudem einen «relativierenden Umgang und vermehrt israelbezogenen und links-antiimperialistischen Antisemitismus».