Weltspitze außer Reichweite: Männer-Debakel bei Biathlon-WM
Die erste WM-Woche ist für die deutschen Biathlon-Männer eine große Enttäuschung. Ohne Top-15-Platz ist die Verunsicherung groß. Kann es so für eine Staffel-Medaille reichen?
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Lenzerheide (dpa) - Als Franziska Preuß zur Friseurin wurde, konnte auch Danilo Riethmüller wieder lachen. Die Biathlon-Weltmeisterin durfte den deutschen Frauen-Trainern nach ihrem Gold-Coup in Lenzerheide dank einer gewonnenen Wette im Teamhotel die Haare rasieren. Am Ende einer für sie völlig verkorksten ersten WM-Woche schauten auch die männlichen Kollegen am Sonntagabend aus nächster Nähe dabei zu. Während Preuß drei Medaillen in drei Rennen gewann, stecken Riethmüller und Co. auch beim Saison-Höhepunkt vor allem wegen ihrer schlechten Schießleistungen in einer Krise.
«Von vorne bis hinten beschissen» fand Riethmüller sein Verfolgungsrennen. Gleich achtmal musste der 25-Jährige in die Strafrunde und lief bei seiner ersten WM nur als 50. von 60 ins Ziel. Philipp Nawraths sieben Fehlschüsse brachten ihm Rang 44 ein. «Das ist indiskutabel, das wissen die Jungs selbst», sagte Sportdirektor Felix Bitterling. Weil Nawrath gesundheitlich angeschlagen ist, bekommt er im Einzel nun eine Pause und wird durch David Zobel ersetzt. Außerdem sind Philipp Horn, Johannes Kühn und Riethmüller dabei.
Zwar baue man sich nach Rückschlägen gegenseitig wieder auf. «Aber am Ende sind es trotzdem meine eigenen Fehler und meine eigene Dummheit», sagte Riethmüller: «Sie können gut zureden, aber die Vorwürfe macht man sich dann trotzdem.»
Superstar Bö für Deutsche außer Reichweite
Und so sind die Männer in der ersten WM-Woche zu Statisten bei der Rekordjagd von Norwegens Superstar Johannes Thingnes Bö verkommen. «Man kriegt es über die Lautsprecher mit, was so abgeht und wo sich der Johannes Bö und die Spitze gerade aufhalten», sagte Philipp Nawrath. Die Besten sind aber außer Sichtweite. «Man hat jetzt hoffentlich die schlechten Rennen abgehakt. Man merkt, man ist da ein Stück weit entfernt.»
Und das ist nett ausgedrückt. Nawrath als 18. im Sprint und Philipp Horn als 17. in der Verfolgung produzierten noch die besten Resultate, während Bö mit seinen WM-Titeln Nummer 21 und 22 zum alleinigen Rekord-Champion aufstieg und Ole Einar Björndalen überholte. «Mit einem 17. Platz kann man bei einer WM überhaupt nicht zufrieden sein, da geht es einfach nur um Medaillen, alles andere interessiert eigentlich nicht», sagte der Thüringer Horn. Während die Männer enttäuschen, brachte Preuß mit ihren Erfolgen Ruhe ins Team.
Gibt es Hilfe von Weltmeisterin Preuß?
«Wir werden Franzi und die Männer in einen Raum stecken, draußen zusperren und dann schauen wir mal, ob das was hilft», sagte Sportdirektor Felix Bitterling im ZDF im Scherz. Natürlich würde das keine Probleme lösen. Etwas ernsthafter ergänzte der Funktionär später mit Blick auf die zweite WM-Woche: «Die Rennen gehen alle bei null wieder los.»
Die große Hoffnung auf eine Medaille gibt es vor allem für die Staffel. «Da müssen wir ein anderes Mindset am Schießstand haben, ansonsten wird es schwer», sagte Bitterling aber auch: «Wir geben auf gar keinen Fall die zweite Woche auf, bevor sie gestartet ist.»
Am Mittwoch steht zunächst das Einzel über 20 Kilometer an, davor wird noch Aufbauarbeit nötig sein. Das Fazit bislang könne nur heißen, «doppelten Strich drunter ziehen und froh sein, dass es in der Mixedstaffel geklappt hat». Im gemischten Quartett errangen auch Nawrath und Justus Strelow zum Auftakt gemeinsam mit Preuß und Selina Grotian eine Bronzemedaille.
Nun droht für die Männer allerdings ein noch schlechteres WM-Abschneiden als im Vorjahr. In Nove Mesto hatte nur der mittlerweile zurückgetreten Benedikt Doll Bronze im Einzel geholt, die Staffel war als Vierter leer ausgegangen. Das bislang letzte deutsche Gold gewann Arnd Peiffer 2019. «Wir haben vielleicht nicht den Superstar momentan, der in den Einzelrennen alles abräumt, aber wir sind eine sehr homogene Mannschaft», sagte Horn, der auf die Staffel am Samstag setzt: «Wenn wir alle unsere Leistung rüberbringen, haben wir die Chance, da vorn reinzulaufen.»
Das Problem sitzt zwischen den Ohren
Das wird aber nur möglich sein, wenn endlich besser geschossen wird. «Die Trainingsleistungen sind in der Regel gut und da wird getroffen», hatte Männer-Trainer Jens Filbrich schon vor der WM gesagt: «Aber wenn das Rennen kommt, dann ist das Problem zwischen den Ohren.» In den entscheidenden Situationen denken Nawrath und Co. seit Monaten zu viel nach, anstatt das Trainierte anzuwenden. So wie Preuß, die es bei ihrem Verfolgungs-Gold schaffte, alle 20 Schüsse ins Ziel zu bringen und jede Ablenkung auszublenden.
Die 30-Jährige hat schon am Dienstag (15.05 Uhr/ZDF und Eurosport) eine echte Chance, ihr viertes Edelmetall in Lenzerheide zu gewinnen. Sie gehört wieder zu den Favoriten, nachdem sie den Trainern eher unvorteilhafte Frisuren verpasste und damit für beste Stimmung in der Mannschaft sorgte. «Wir haben nicht genug, wollen in der zweiten Woche definitiv angreifen und für möglichst viele Höhepunkte unsererseits sorgen», sagte Bitterling.