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«Schöne Geschichte»: Goretzka mit Siegtor in Italien

Deutschland ist gegen Angstgegner Italien auf Final-Four-Kurs. Nach der Pause dreht das DFB-Team das Hinspiel in Mailand. Schon am Sonntag geht es in Dortmund weiter.

ANTENNE BAYERN ANTENNE BAYERN GmbH & Co. KG
Italien - Deutschland Federico Gambarini/dpa

Mailand (dpa) - Erschöpft von einer riesigen Willensleistung fielen sich Deutschlands Gewinner um Siegtorschütze Leon Goretzka in die Arme. Der erste Auswärtserfolg in Italien nach 39 Jahren hat die Tür zum Final-Four-Turnier der Nations League für Bundestrainer Julian Nagelsmann und seine Schützlinge ganz weit geöffnet. 

Joker Tim Kleindienst (49. Minute) und der nach 16 Monaten zurückgeholte Mittelfeldarbeiter Goretzka (76.) sorgten mit ihren Kopfballtoren im Viertelfinal-Hinspiel für das 2:1 (0:1). «Es war sehr, sehr schön. Bei der Nationalhymne hat es mich mehr gepackt, als ich gedacht habe. Es ist schon eine schöne Geschichte», sagte Goretzka, der im weißen DFB-Trikot ein Comeback nach Maß feierte.

Auch Chefcoach Nagelsmann war vom Bayern-Profi begeistert. «Ich freue mich für ihn. In der zweiten Halbzeit hat er ein herausragend gutes Spiel gemacht», sagte der Bundestrainer. Goretzka sei für ihn «der MVP des Spiels», der wertvollste Spieler der Partie gewesen. «Ich bin sehr froh für ihn, dass er so gut zurückgekommen ist.»

Baumann: «Unbeschreiblich»

Neben den beiden Torschützen wurde der gleich mehrmals überragend parierende Oliver Baumann zum Helden im San Siro von Mailand. «Unbeschreiblich. Das war echt schön mit dieser Truppe. Ich genieße es gerade, aber es ist erst der erste Schritt», sagte Baumann. Dass er von Sandro Tonali (9.) erstmals in seiner DFB-Karriere überwunden wurde, konnte der Routinier problemlos verschmerzen.

Nach einer klaren Leistungssteigerung und erfolgreichen Personal-Korrekturen von Nagelsmann zur Pause geht das DFB-Team mit dem Heimvorteil und als Favorit in die entscheidende zweite Partie am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) im stimmungsvollen Dortmunder Stadion. Das Final Four, das im Erfolgsfall Anfang Juni in München und Stuttgart steigen würde, ist für Nagelsmann und Co. greifbar.

Nagelsmann setzt voll auf den Faktor Form

Knapp neun Monate nach dem bitteren EM-K.o. gegen Spanien sah es vor 60.334 Zuschauern im Giuseppe-Meazza-Stadion zunächst alles andere als gut aus für die DFB-Elf. Ohne die Offensiv-Trümpfe Florian Wirtz, Kai Havertz und Niclas Füllkrug fehlte im Vorwärtsgang zunächst der Punch. Bayern-Star Jamal Musiala war als Einzelkämpfer überfordert. Hinten war vor allem der Leipziger David Raum ein Schwachpunkt. Dann kam Kleindienst, traf - und Goretzka legte nach. Beide Male war Kapitän Joshua Kimmich der Flankengeber.

Nagelsmann setzte in dem berühmten Fußball-Hexenkessel voll auf den Faktor Form. Der in der Bundesliga stark aufgelegte Goretzka stand nach langer DFB-Abstinenz ebenso in der Startelf wie das Duo Nadiem Amiri und Jonathan Burkardt, das den FSV Mainz 05 in Richtung Champions League führt.

Politano überrumpelt Raum

Das Trio bekam dann schon vor dem Anpfiff ein Gespür für die riesige Rivalität zwischen Italien und Deutschland sowie die Wucht, die der gewaltige Betonklotz im Westen von Mailand entfalten kann. Italiens Fans pfiffen so lautstark in die deutsche Nationalhymne, dass die Stadionregie die Lautstärke schnell nach oben regelte. 

Die 3.500 mitgereisten Anhänger aus Deutschland revanchierten sich ihrerseits bei der italienischen Hymne. «Wenn Du hier reinkommst, spürst Du, dass hier große Spiele stattgefunden haben», sagte Ex-Weltmeister Bastian Schweinsteiger am ARD-Mikrofon zum Mythos San Siro.

Auf dem Rasen kontrollierte die DFB-Elf zwar zunächst den Ball. Doch bevor der Offensive um den blassen Bayern-Star Musiala eine erste Aktion gelang, schlug der Gastgeber bereits gnadenlos zu. Außenbahnspieler Matteo Politano nutzte einen Stellungsfehler des fahrig wirkenden Raum und startete über rechts bis zur Grundlinie durch. Seine Hereingabe bekam Jonathan Tah nur unzureichend geklärt, wodurch Tonali unbedrängt zur Führung einschießen konnte.

Baumann verhindert zunächst Schlimmeres

Für Baumann war es nach 189 Minuten weißer Weste das erste Gegentor im Nationaltrikot. Eigene Anteile hatte er daran allerdings nicht. Im Gegenteil: Nagelsmann und die DFB-Defensive hatten dem Schlussmann zu verdanken, dass es in den 45 Minuten bis zur Pause bei lediglich einem Gegentor blieb.

Erneut Torschütze Tonali (30.) sowie der agile Moise Kean (32.) hatten bei ihren strammen Abschlüssen das 2:0 auf dem Fuß, scheiterten aber am stark reagierenden Baumann. Auf der linken Defensivseite und im defensiven Mittelfeld wies das deutsche Team viel zu große Lücken auf. Und Italien machte das, was es am besten kann: Aus einer kompakten und gut sortierten Fünferkette gefährliche Nadelstiche setzen.

Goretzka zurück in Reihe eins

Während jede italienische Aktion zielgerichtet wirkte, war in Deutschlands Offensive vorrangig Comebacker Goretzka präsent. Der 30-Jährige setzte einen Kopfball aufs Tornetz (16.) und schloss später mit einem satten Dropkick (20.) ab. Nagelsmann berichtete vor dem Anpfiff über eine längere Unterredung mit dem Profi, den er für die Heim-EM im vergangenen Jahr nicht berücksichtigt hatte.

«Unser Gespräch war ganz sachlich, wir haben über den Sommer gesprochen und einen gemeinsamen Nenner gefunden. Jetzt greifen wir wieder an», beschrieb Nagelsmann. Goretzka, der nach Nagelsmanns Meinung keiner für die zweite Reihe ist, fühlte sich bei seiner Rückkehr in der ersten Reihe komplett wohl. Und wurde mit seinem Kopfballtor nach einer Ecke direkt Matchwinner.

Nagelsmanns Wechsel wirken direkt

Schon nach 45 Minuten hatte Nagelsmann zwei Wechsel vorgenommen - und er lag damit genauso goldrichtig wie mit seiner Goretzka-Rückholaktion. Kleindienst und Nico Schlotterbeck ersetzten den anfälligen Raum und den unauffälligen Burkardt. Und die Wechsel machten sich direkt bezahlt. Mit seiner ersten Aktion bewies Kleindienst seine große Stärke und köpfte präzise an Donnarumma vorbei zum Ausgleich - Kimmich hatte präzise in die Mitte geflankt.

Kleindienst war nicht nur als Torschütze wertvoll, sondern auch als unermüdlich laufender Fußball-Arbeiter. Mit Schlotterbeck statt Raum wirkte das DFB-Spiel nicht nur stabiler, sondern auch flexibler. Kapitän Kimmich schob sich immer wieder nach vorne und kurbelte das Offensivspiel an.

Bestnoten in beiden Halbzeiten verdiente sich vor allem Baumann, der auch nach dem Wechsel einer der stärksten Deutschen war und unter anderem gegen Giacomo Raspadori (67.) mit starker Fußabwehr das zwischenzeitliche Remis wahrte. Während die deutschen Anhänger in der Nachspielzeit sangen und jubelten, verließen Italiens Fans schon vor Abpfiff in Scharen das Stadion.

© dpa-infocom, dpa:250320-930-409977/3