Zentralratspräsident: Israel bleibt Alternative
Josef Schuster fordert bei antisemitischen Straftaten eine striktere Anwendung der Gesetze und schöpft Hoffnung aus Solidaritätsbekundungen mit Juden in Deutschland.
Augsburg (dpa/lby) - Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hält es nach eigenen Worten für vorstellbar, dass bei einer erheblichen Regierungsbeteiligung extremer Parteien für Juden ein Leben in Deutschland unmöglich werden könnte. Zwar hält er es nicht für notwendig, dass Jüdinnen und Juden Deutschland verlassen, wie er im Interview der «Main-Post» und der «Augsburger Allgemeinen» (Samstag) sagte. Aber es sei «gut zu wissen, dass Israel, wenn es zu Problemen kommt, eine Alternative ist».
Dies sei für viele Juden nach dem 7. Oktober 2023 keine reale Perspektive mehr gewesen. Doch komme es jetzt auf die weitere Entwicklung in Deutschland an. «Es bleibt eine Option», sagte Schuster, der vor zehn Jahren das Amt als Zentralratspräsident antrat. Israel sei der sichere Zufluchtshafen für alle Juden. «Hätte es einen solchen schon in den 1930er-Jahren gegeben, wäre sehr viel Leid verhindert worden.»
Angesichts steigender Zahlen antisemitischer Straftaten forderte Schuster eine striktere Anwendung der Gesetze: «Wir brauchen keine schärferen Gesetze. Wir brauchen aber eine Justiz, die die bestehenden Gesetze glasklar anwendet. Ich habe ein Problem damit, dass bei antisemitischen Straftaten häufig nicht das Strafmaß in seiner ganzen Breite ausgeschöpft wird.» Zu oft werde von Gerichten auf mildernde Umstände verwiesen – wie die Fluchterfahrung oder die schwere Jugend eines Beschuldigten. «Da gibt es dann Bewährungsstrafen von wenigen Monaten. Darüber lacht der Täter doch.» Es fehle die abschreckende Wirkung.
Schuster über «Lichtblicke»
Positiv findet Schuster Solidaritätsbekundungen mit der jüdischen Community. «Diese Stimmen sind meist leiser als die negativen, aber sie machen Hoffnung.» Schön sei beispielsweise zu sehen, wie viele Leute zur Gedenkstunde am Jahrestag der Pogromnacht in Würzburg gekommen seien, oder die Feierstunde zum Richtfest der Jüdischen Akademie in Frankfurt. «Das sind Lichtblicke.»
Für «völlig unstrittig» hält er, «dass man die Politik von Premier Netanjahu kritisieren kann – so wie man nicht alle Entscheidungen des deutschen Bundeskanzlers oder der Kanzlerin gut finden muss». Das sei Demokratie. Jedoch stoße legitime Israel-Kritik unter anderem da an ihre Grenzen, wo der Staat Israel dämonisiert und delegitimiert werde.