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Wahlkampf ohne Inhalte? Wie die Parteien für sich werben

Vor jeder Wahl wird der öffentliche Raum zum politischen Schaufenster. Doch wie wichtig ist klassische Wahlwerbung in Zeiten von Social Media überhaupt noch? Und welche Bedeutung haben Inhalte?

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Bundestagswahl Hauke-Christian Dittrich/dpa

München (dpa/lby) - Der laufende Bundestagswahlkampf ist auch in Bayern in vollem Gange - jedoch geht es hier wie im übrigen Bundesgebiet nach Ansicht von Experten in erster Linie längst nicht um politische Inhalte. So sieht etwa der Politikberater Martin Fuchs sowohl beim digitalen Wahlkampf als auch beim klassische «Offline-Wahlkampf» primär einen Wettstreit um Präsenz. 

Ein Meta-Wahlkampf ohne Inhalte?

Inhaltlich dominieren - wenn überhaupt - zwar Bundesthemen, die eigentliche inhaltliche Auseinandersetzung bleibe aber oft oberflächlich. «Wir erleben einen Meta-Wahlkampf. Das heißt, es geht um die großen Metathemen», so Fuchs. «Also darf man mit der AfD koalieren oder nicht? Oder es geht um den Vibe, um die Stimmung.» Von konkreten Problemlösungen sei wenig zu sehen.

«Wahlplakate haben eine ganz wichtige Funktion», betonte Fuchs. «Nämlich dass Menschen erst mal mitbekommen: Ah, es ist wieder Wahl.» Versuche, ohne Plakate Wahlkampf zu machen, seien in der Vergangenheit bereits gescheitert, da die Bürgerinnen und Bürger dachten, dass die Partei nicht mehr im Angebot stehe. Wahlplakate seien immer noch die Form der Wahlwerbung, die am meisten wahrgenommen werde.

Auch andere analoge Werbeformen wie Wahlkampfstände und Haustürbesuche seien weiter relevant, auch wenn sie insgesamt weniger präsent seien. «Das sind alles Instrumente, die im Mix entscheiden und wichtig sind», sagte Fuchs. «Ich glaube, jedes Einzelne ist vielleicht vernachlässigbar, aber sie wirken dann in der Gemeinschaft.» Es brauche verschiedene Kontaktpunkte, wo die Menschen die Partei und deren Position wahrnehmen.

Wahlwerbespots arbeiten mit konventionellen Mustern

Auch die Wahlwerbespots geben die konventionellen Muster wieder, sagt Christian Schicha von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Innovationen bleiben aus und es wird auf altbewährte Strategien gesetzt. Im CSU-Clip präsentiert Bayerns Ministerpräsident Markus Söder «den Politiker, der mit bayerischen Brezeln da vor sich hin erzählt, warum er vertrauenswürdig ist», so Schicha. 

Die meisten Parteien arbeiten in ihren Spots mit «Gemeinschaftsgefühlen» und klassischer Symbolik wie Familie und wirtschaftlichem Fortschritt. Die Grünen haben etwa Klimaschutz, regenerative Energien und strahlende Kinder im Bild - im Grunde das, «was man gerne hätte, aber was offensichtlich auch mit dem Zusammenhalt nicht so richtig klasse geklappt hat», sagte Schicha.

Anders die AfD, die mit Bedrohungsszenarien arbeite, so Schicha. Gezeigt werden unter anderem Flüchtlingsgruppen, Böller sowie eine blonde Frau in der Disco, die vermeintlich schon als Opfer von Straftätern gesehen werde. «Und die Lösung ist natürlich Alice Weidel, die als vermeintliche Vertrauensperson dann am Ende steht.»

Social Media: Nicht nur Ergänzung, sondern Verstärker

«Wir sehen immer wieder, dass Plakate extra nur produziert werden, damit sie von Menschen fotografiert und in den Online-Raum getragen werden, und dort wirken», erläuterte Fuchs. Genauso sei es andersherum - man müsse den Online-Raum nutzen, um für offline zu mobilisieren. Zum Beispiel für Veranstaltungen oder die Wahl. Sei es mit Videos oder Posts - entscheidend sind Fuchs zufolge für die breite Wirkung die großen Plattformen mit Instagram, Tiktok, Facebook, X und Youtube. Auch Linkedin werde immer relevanter.

Ältere Menschen seien zwar zum Teil online, aber häufig nicht auf den Kanälen unterwegs, die für Parteien relevant sind. Deshalb bleibe der Mix aus Online- und Offline-Strategien essenziell. Für ältere Wähler funktioniere eine Whatsapp-Nachricht oder ein Besuch im Seniorenheim oft besser als ein virales Video.

Diskurs in Echtzeit

Der größte Vorteil des digitalen Wahlkampfs liegt in der Interaktivität, erklärte Fuchs. Plakate sind statisch, sie werden Wochen vorher gedruckt und aufgehängt. Online sind die Parteien in der Lage, in Echtzeit auf Debatten zu reagieren und sich aktiv in Diskursen einzuschalten. Gerade Tiktok und Instagram haben sich für viele Parteien als Schlüsselplattformen erwiesen, da sie besonders junge Zielgruppen erreichen. 

Die AfD habe hier Vorteile, da sie mit ihrer intensiven Aktivität auf den sozialen Medien einen Vorsprung von mehreren Jahren habe und viele Anhänger ihre Inhalte weiterleiteten. «Sie agiert populistisch, zieht dadurch natürlich Interaktion und bekommt Viralität», so Fuchs. 

Mittlerweile hätten aber auch die anderen Parteien aufgeholt. Insbesondere die Linke sei zuletzt sehr erfolgreich auf den sozialen Medien. Die geposteten Videos zur Migrationsdebatte im Bundestag vergangene Woche haben auf Instagram und Tiktok einige Millionen Aufrufe. «Das ist eine Offline-Aktion gewesen, die dann online die Runde gemacht hat», erklärt Fuchs.

Verzichten können die Parteien laut Fuchs auf die allgemeinen Accounts auf Social Media: «Parteien sind nicht das, was funktioniert. Es braucht eher authentische Persönlichkeiten, die Parteiinhalte in die Breite tragen.»

© dpa-infocom, dpa:250209-930-369399/1