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Sondierungen wirbeln Pläne für Aschermittwoch durcheinander

Die Bildung einer neuen Bundesregierung hat kaum begonnen, da wird schon das Tempo angezogen. Doch was in dieser Zeit Priorität hat, bewerten die beteiligten Parteien offenbar unterschiedlich.

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Politischer Aschermittwoch - Bayern  CSU Peter Kneffel/dpa

Berlin/Vilshofen (dpa) - Der Ruf nach einer schnellen Regierungsbildung in Berlin wirbelt bei den Beteiligten die Pläne für den politischen Aschermittwoch in Bayern durcheinander. Erst kündigte SPD-Chef Lars Klingbeil am Montag an, alle Mitglieder des Verhandlungsteams der Partei bei den Sondierungen würden in dieser Woche ihre anderen Termine absagen. Dann folgte die offizielle Absage des geplanten Festzeltredners im niederbayerischen Vilshofen, Arbeitsminister Hubertus Heil.

SPD-Chef: «Bereit, die ganze Woche zu verhandeln»

Heil gehört zur neunköpfigen Gruppe, die für die SPD mit der Union verhandelt. Die Sozialdemokraten schicken stattdessen kurzfristig Gesundheitsminister Karl Lauterbach als Redner beim politischen Aschermittwoch in Bayern ins Rennen. Dies bestätigte eine Sprecherin des Landesverbandes der Deutschen Presse-Agentur in München. Die SPD sei «bereit, die ganze Woche zu verhandeln und auch zu reden», hatte Parteichef Klingbeil zuvor verlauten lassen.

CSU: Aschermittwoch findet «natürlich» statt

Inwiefern das klappt, ist offen. Denn die CSU hat bereits angekündigt, an dem Termin mit Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder als Hauptredner in Passau am Mittwochmorgen festhalten zu wollen. «Natürlich findet der Aschermittwoch statt», sagte ein Sprecher der Partei der Deutschen Presse-Agentur in München. Söder führt aber auch die CSU-Verhandlungsgruppe in den Sondierungsgesprächen an. 

Für die anderen Parteien dürften die Gespräche zwischen CDU/CSU und SPD indes keine Auswirkungen haben. Bei der AfD in Osterhofen steht der bayerische Landeschef Stephan Protschka oben auf der Rednerliste. Für die Grünen soll in Landshut Partei-Co-Chef Felix Banaszak Stimmung machen, bei den Freien Wählern ist trotz des gescheiterten Einzugs in den Bundestag Vorsitzender Hubert Aiwanger das Zugpferd bei der Werbung um Besucher. 

Die mit frischem Selbstvertrauen aus der Wahl kommende Linke hat «Silberlocke» und Ex-Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi angekündigt. Die FDP schickt nach ihrem Debakel am 23. Februar ihren Noch-Fraktionschef Christian Dürr in Dingolfing ins Rennen. Beim Bündnis Sahra Wagenknecht soll der bayerische Frontmann Klaus Ernst auftreten.

Schlagabtausch mit Gefahr der Grenzüberschreitung

Die Erwartung vieler Besucher ist dabei klar: Es soll möglichst kräftig zur Sache gehen - und hart gegen den politischen Gegner ausgeteilt werden. «Heut' gibt es freie Fahrt», rief CSU-Chef Söder im vergangenen Jahr in die Passauer Dreiländerhalle. «An die Freunde und Experten der Political Correctness kann ich sagen: Wenn ihr eine Sorge habt, dann schaltet lieber ab, dann schaltet lieber um. Denn es gilt der Satz: Achtung, Achtung, hier ist die CSU.» 

In der Folge vergleicht Bayerns Ministerpräsident Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit der verstorbenen SED-Politikerin Margot Honecker, Bayerns AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner nannte er «Leni Riefenstahl für Arme» - beides brachte ihm scharfe Kritik aus unterschiedlichen Richtungen ein.

Wie schnell Grenzen im kritischen, aber meist noch geradeso respektvollen Umgang miteinander überschritten werden können, zeigen juristische Nachspiele zu Reden auf der AfD-Veranstaltung im Jahr 2023. Söder hatte im Nachgang Bayerns Parteichef Protschka wegen Bezeichnungen wie «Södolf» und «Landesverräter» wegen Beleidigung angezeigt. Das Verfahren wurde letztlich gegen eine Geldauflage in Höhe von 12.000 Euro eingestellt. 

Vom Viehmarkt zum Politspektakel

Der politische Aschermittwoch hat in Bayern aber eine lange Tradition. Schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich in Vilshofen an diesem Tag die Bauern zum Viehmarkt getroffen. Dabei feilschten sie nicht nur um Tierpreise, sondern nahmen beim Bier auch die königlich-bayerische Regierung ins Visier. 1919 lud der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts dann erstmals zu einer Kundgebung - das Politspektakel war geboren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermittwoch von der Bayernpartei wiederbelebt, die ihre Veranstaltung zu deftigen Angriffen auf die CSU nutzte. Die Christsozialen stiegen wenig später in die Tradition ein. Heute ist der Aschermittwoch ein mediales Politspektakel, das keine Partei auslassen kann. Kundgebungen gibt es nicht nur in Niederbayern, sondern bundesweit.

© dpa-infocom, dpa:250303-930-392406/2