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Pauschalverbot von Pro-Palästina-Slogan rechtswidrig

Die Strafbarkeit eines Pro-Palästina-Slogans hängt nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs vom Einzelfall ab. Deshalb lehnt er anders als die Instanz zuvor ein Verbot auf einer konkreten Demo ab.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Peter Kneffel/dpa/Archivbild

München (dpa) - Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem konkreten Einzelfall ein pauschales Verbot des bei propalästinensischen Demonstrationen oft verwendeten Slogans «From the river to the sea» («Vom Fluss bis zum Meer») für rechtswidrig erachtet. Damit gab das Gericht der Beschwerde einer Frau statt, die für den kommenden Montag (1. Juli) eine kleine Demonstration in München angemeldet und dafür auch Plakate mit der Aufschrift angekündigt hat. Die Landeshauptstadt erließ für die Versammlung mehrere Beschränkungen - insbesondere ein Verbot, die Parole zu verwenden, weil damit der Anfangsverdacht für eine Straftat vorliege. Dagegen wehrte sich die Frau, scheiterte zunächst vor dem Verwaltungsgericht, bekam aber nun letztinstanzlich vom Verwaltungsgerichtshof Recht.

Das Gericht entschied in einem Eilverfahren, dass die Untersagung der Parole im konkreten Einzelfall voraussichtlich rechtswidrig sei. Denn ob deren Verwendung einen Straftatbestand erfülle, hänge von den Umständen des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob ein erkennbarer Bezug zur Terrororganisation Hamas oder anderen verbotenen Vereinigungen vorliege, teilte das Gericht am Freitag mit. Konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Bezug habe die Landeshauptstadt in ihrer «Gefahrenprognose» nicht dargelegt (Az. 10 CS 24.1062).

Einen Blankoscheck für die Frau oder andere Demo-Teilnehmer, bei Verwendung der Parole am Ende auch straffrei davonzukommen, stellte der Verwaltungsgerichtshof aber damit ausdrücklich nicht aus: Mit der aktuellen Entscheidung gehe keine «Legalisierungswirkung» der Parole einher. «Die Antragstellerin und die Teilnehmenden der Versammlung haben selbst dafür Sorge zu tragen, sich in nicht strafbarer Weise zu verhalten. Den Strafverfolgungsbehörden bleibt es unbenommen, im Einzelfall strafrechtlich relevantes Verhalten als solches zu verfolgen», heißt es in der Entscheidung des Gerichts.

Ein pauschales Verbot der Parole im Wege einer Versammlungsbeschränkung wäre aber - so heißt es in der Gerichtsentscheidung weiter - nur dann verhältnismäßig, «wenn eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde ergibt, dass die Formulierung in strafbarer Weise verwendet werden wird». Diesen Anforderungen sei die Münchner Gefahrenprognose nicht gerecht geworden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Teilnehmer der Demonstration die Parole mit einem konkreten Bezug zur Hamas oder anderen verbotenen Vereinigungen verwenden würden, habe die Landeshauptstadt nicht angeführt. Und eine bloße Vermutung reiche nicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft München will an ihrem konsequenten Kurs festhalten, den sie nach der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums unter anderem zur Terrororganisation Hamas eingeschlagen hatte. Darin wird die Parole als in Deutschland verbotenes Kennzeichnen der terroristischen Vereinigung Hamas genannt. «Seit diesem Zeitpunkt bejahen die bayerischen Strafverfolgungsbehörden den Anfangsverdacht für die Straftat des Verwendens von Kennzeichen von verfassungswidrigen und terroristischen Organisationen», hatte ein Sprecher der Behörde zuletzt erklärt. Und dabei soll es auch bleiben: Auch beim isolierten Verwenden der Parole - egal in welcher Sprache - werde man weiterhin einen Anfangsverdacht bejahen und Ermittlungen einleiten, sagte ein Sprecher am Donnerstag.

Der Slogan «From the river to the sea ...» geht zurück auf die 1960er Jahre und wurde bereits damals von der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO verwendet. Er soll ausdrücken, dass die vollständige Befreiung Palästinas, vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer, angestrebt werde - also auch auf dem Gebiet Israels.

© dpa-infocom, dpa:240627-99-552211/3