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«Magischer Ort» - Ein Kulturverein ringt um seine Zukunft

Das Dorf Tunzenberg ist bekannt für den Verein Kulturbrauerei und die Mundart-Hip-Hop-Band dicht & ergreifend. Nun ist ein Streit entbrannt, der aus Sicht der Künstler mehr ist als eine Provinzposse.

Kulturbrauerei Tunzenberg Armin Weigel/dpa

Mengkofen (dpa/lby) - Hip Hop in niederbayerischem Dialekt ist eines der Markenzeichen der Band dicht & ergreifend. Mit ihrer Musik feiert sie nicht nur heimisches Lebensgefühl, die Band greift auch gesellschaftspolitische Themen auf - teils satirisch und frech. Ihr Hit «Wandadoog» («Wandertag») wird im Internet millionenfach geklickt. Das Video dazu haben sie in Tunzenberg gedreht, einem idyllischen Dorf in der Nähe von Dingolfing. Der Kulturverein des Ortes ist für die Band ein kreativer Fixpunkt - und nun nach der Kündigung durch den Vermieter quasi obdachlos geworden. «Kulturfraß auf dem Land», kritisieren die Musiker. 

Zehn Jahre lang war der Verein, der Kulturbrauerei e.V., im Gebäude der ehemaligen Schlossbrauerei angesiedelt. Lef Dutti (Fabian Frischmann) und George Urkwell (Michael Huber) von dicht & ergreifend sind Mitglieder. Ein Unternehmer aus der Region hatte Schloss Tunzenberg samt Parkanlage und Brauereigebäude gekauft und dem Verein die Kündigung erteilt. Nach monatelangem Hin und Her hat die Kulturbrauerei zum 1. September die Schlüssel zu dem Gebäude abgegeben und steht unfreiwillig vor einem Neuanfang. 

Für den Verein ein herber Schlag. Die Kulturbrauerei sei ein Zufluchtsort gewesen, ein kultureller Freiraum, ein Platz mit Probenräumen für Bands, mit einer Kreativwerkstatt und mit einem Festplatz für Lagerfeuer, Konzerte und Festivals. Gründungsmitglied Daniel Kreuzpaintner spricht von einem «magischen Ort». Zehn Jahre lang hätten sie ehrenamtlich das Gebäude hergerichtet, die Räume ausgebaut und containerweise Schrott entsorgt. «Da steckt viel Arbeit drin und viel Emotion», sagt Michael Huber. 

Suche nach Lösung

Verhandlungsversuche zwischen dem neuen Eigentümer und der Kulturbrauerei scheiterten - woran das lag, darüber gibt es gegenläufige Auffassungen. Sie hätten das Gespräch mit dem Unternehmer gesucht, um bleiben zu können, sagen mehrere Vereinsmitglieder. Der Unternehmer wollte sich der Deutschen Presse-Agentur gegenüber nicht zu der Sache äußern. Seinem Anwalt nach bot er Alternativen an und war ebenfalls gesprächsbereit. Die Angebote wären jedoch nicht hinnehmbar gewesen, hieß es aus dem Verein. Der kulturelle und kreative Freiraum wäre verloren gegangen.

Im Juli katapultierten dicht & ergreifend das Thema dann in die Öffentlichkeit: Bei einem Open-Air-Auftritt in Dingolfing verlas Michael Huber im Beisein etlicher Vereinsmitglieder ein «Kulturfraß-Statement». Die Kulturbrauerei sei eine offene Begegnungsstätte für das Dorf, diese sei nun zerstört, sagte er. Auf der Leinwand wurden Zitate des neuen Eigentümers gezeigt, unter anderem: «Drecks-Kulturbrauerei». Der Unternehmer sah sich diffamiert und strebte eine einstweilige Verfügung an. 

Vergangene Woche hätten sich Ammer und die beiden Musiker Huber und Frischmann vor dem Landgericht Landshut treffen sollen. Es ging um Beleidigung und das Löschen eines im Internet einsehbaren Videos zu dem Auftritt in Dingolfing. Der Anwalt der Band, Sebastian Deubelli, sagt, dicht & ergreifend sei bekannt dafür, gesellschaftlich relevante Themen satirisch umzusetzen. Dann zog der Unternehmer seinen Antrag vor Gericht zurück mit der Begründung, mit den Musikern nichts mehr zu tun haben und ihnen keine Bühne bieten zu wollen.

Hoffnung auf Einigung

Statt im Gerichtssaal saßen Musiker und Vereinsmitglieder dann in der Kanzlei ihres Anwaltes in Landshut und erzählten von ihren Plänen und von dem Fünkchen Hoffnung, das sie noch haben, sich mit dem Unternehmer einigen zu können. «Unsere Hand ist ausgestreckt.» 

Die «Dichtis», wie ihre Fans sie nennen, starteten eine Spendenaktion. Daraus sollen eventuelle Anwaltskosten bezahlt werden und der Rest der Kulturbrauerei zugutekommen - aber auch anderen Kulturprojekten. Zudem soll es einen weiteren Verein geben namens: Kulturensöhne und Töchter.

Verlust von Kultur auf dem Land

Ziel sei es, das Thema fehlender kultureller Freiräume anzusprechen, sagt Florian Sochatzy. Es solle ein Austausch mit der Politik stattfinden. Ländliche Förderung bedeute auch, kreative Räume zu schaffen. Daraus könnten auch größere Dinge entstehen - wie etwa die Band dicht & ergreifend, die in den vergangenen Jahren wahrscheinlich «der größte Impuls für die bayerische Sprache» für junge Leute sei. Aus Sicht der Mitglieder hat es Kultur auf dem Land immer schwerer. Dabei sei sie so wichtig, um das Landleben für viele Menschen interessant zu machen, sagte Kreuzpaintner. Und die Jungs von dicht & ergreifend finden, Kultur in Bayern müsse mehr sein als «Besäufnis-Rituale in weiss-blau gestreiften Ersatzkirchen».

Der heimatlos gewordene Verein sucht nun eine neue Bleibe. Alternativ würde er dem Unternehmer das Brauereigebäude samt Festwiese zum marktüblichen Preis abkaufen, damit die Kulturbrauerei Tunzenberg und mit ihr das kreative Schaffen wieder aufleben kann.

© dpa-infocom, dpa:240906-930-224801/2