Bayerische Wirtschaft fordert soziale Kürzungen
Der Wirtschaftsverband vbw legt der nächsten Bundesregierung unter anderem deutliche soziale Einschnitte vor. Der DGB widerspricht.
München (dpa/lby) - In einem 100-Tage-Programm für die künftige Bundesregierung fordert die bayerische Wirtschaft zahlreiche Maßnahmen, darunter soziale Kürzungen. Nach der Wahl müsse ein Ruck durch Deutschland gehen, forderte der Präsident des Wirtschaftsverbands vbw, Wolfram Hatz. Denn aktuell leide der Standort an vielen Problemen. Er sei zu teuer, zu kompliziert, zu wenig für die Zukunft gerüstet, zu alt und leistungsfeindlich, sagte er.
Zu den Forderungen der vbw gehören neben Bürokratieabbau und niedrigeren Unternehmenssteuern auch grundlegende Reformen der sozialen Sicherungssysteme wie eine sofortige Abschaffung der Rente mit 63. Selbst eine weitere Erhöhung des Rentenalters, etwa auf 68, dürfe kein Tabu sein, sagt Hatz. Zudem plädiert er für weitere Selbstbeteiligungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und private Zusatzversicherungen in der Pflege.
Bekenntnis zur Schuldenbremse
Auch das Transfersystem aus Grundsicherung, Wohngeld und Kinderzuschlag müsse generalüberholt und das Bürgergeld in seiner jetzigen Form abgeschafft werden, sagte Hatz. Wenn man spare und den Sozialstaat reformiere, sei auch genug Geld zum Investieren da, sagte Hatz. Daher stehe die vbw «klar hinter der Schuldenbremse».
Für den Arbeitsmarkt fordert die vbw Flexibilisierung, um gegen den Arbeitskräftemangel zusätzliche Potenziale zu aktivieren. Hatz sprach sich hier dafür aus, statt einer täglichen Höchstarbeitszeit zu einer wochenbezogenen Betrachtung zu kommen. Zudem brauche es gesteuerte Zuwanderung.
«Allen muss klar werden: Die fetten Jahre sind vorerst vorbei», sagte Hatz. «Wir werden uns wieder mehr anstrengen müssen, wenn wir unseren Wohlstand bewahren wollen.»
DGB kontert
Beim Gewerkschaftsbund DGB sieht man die Forderungen der vbw äußerst kritisch. «Immer wieder wird versucht uns einzureden, Deutschland müsse sich zwischen wirtschaftlicher Stärke oder sozialer Sicherheit entscheiden», sagt der DGB-Landesvorsitzende Bernhard Stiedl. «Dieses "Entweder-oder" ist jedoch gefährlich und spaltet unser Land.» Vielmehr sei beides notwendig: ein starker Sozialstaat und eine starke Wirtschaft. Dazu brauche es aber «Investitionen in unsere Zukunft, in ein funktionierendes Gesundheitssystem, in stabile Renten und bezahlbare Mieten». Was in anderen Ländern funktioniere, müsse «doch auch bei uns in Deutschland gehen».
Gerade in der Krise zeige sich, «dass der Sozialstaat mehr wert ist, als er kostet», betont Stiedl. «Wir müssen ihn deshalb stärken und weiterentwickeln und nicht abbauen.»
Die Vorschläge des vbw-Präsidenten zur Ausweitung der Arbeitszeit weist Stiedl zudem als «abstrus» zurück. Dies bringe keine einzige zusätzliche Fachkraft, sagt er. «Ganz im Gegenteil: Dieser Ansatz führt eher dazu, dass noch mehr Beschäftigte in die Burnout-Klinik oder direkt in die Erwerbsminderungsrente kommen.» Stattdessen brauche es attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen und genügend Betreuungsplätze für Kinder.